Jehovas Zeugen – 23 Jahre bei den Zeugen Jehovas: Ich habe viele Höllen durchlebt

Seine ganze Kindheit und Jugend gehörte der jetzt 41-jährige Mann aus St.Gallen den Zeugen Jehovas an. Mit 23 Jahren brach er radikal. Fast zwei Jahrzehnte später sagt er: «Erst jetzt lebe ich ein selbstbestimmtes Leben.» Protokoll eines Ausbruchs aus den Fängen einer Sekte.

Die Kindheit: Missionieren von Haus zu Haus

«Ein kleiner Bub war ich, siebenjährig und zog an meinen schulfreien Nachmittagen mit einem Erwachsenen von Haus zu Haus. Wir klingelten an den Türen, sprachen mit den Menschen über den nahenden Weltuntergang Harmagedon und das anschließende ewige Leben im Paradies, für alle, die sich der Lehre der Zeugen Jehovas unterwerfen. Ich habe diese Predigtdienste gehasst. Besonders den Straßendienst wo man mit dem Wachtturm – der Broschüre der Zeugen – an einer Straßenecke steht. Jedes Mal, wenn ein Klassenkamerad vorbeigegangen ist, habe ich mich geschämt. Bis zu zwölf Stunden im Monat war ich damals unterwegs im Namen der Zeugen Jehovas, um verlorene Seelen zu retten. Es war schlimm, dieses Hausieren, doch was wir erzählt haben, das habe ich mit tiefer Überzeugung geglaubt.

Die Familie: Den Kontakt zur Mutter verwehrt

Mein Vater und meine Stiefmutter lebten mit mir und meinem Zwillingsbruder und meinem älteren Bruder in Wuppertal, Deutschland. Der Kontakt zu meiner leiblichen Mutter wurde mir verwehrt. Sie verschwand aus meinem Leben, als ich etwa fünf war. Bis heute habe ich kaum Kontakt zu ihr. Ich weiss, dass sie mit den Zeugen Jehovas gebrochen hatte und in Alkoholismus und Arbeitslosigkeit abrutschte. Wirklichen Kontakt zu anderen Menschen ausserhalb der Zeugen Jehovas hatte ich nicht.

Ich besuchte zwar die öffentliche Schule, doch es war uns nicht erlaubt, engere Kontakte zu pflegen; keine Geburtstagsfeiern, keine Partys, keine Disco und keine Beziehungen mit Mädchen, denn Sex vor der Ehe ist tabu. Schliesslich konnte man den Nichtzeugen, den Weltmenschen, wie wir sie nannten, nicht trauen. Es waren in unseren Augen allesamt Menschen, die in Harmagedon vernichtet werden würden. Nur uns Zeugen war das ewige Leben sicher. Nur für dieses lebten wir.

Die Predigtdienstschule: Selber denken nicht erwünscht

In der Predigtdienstschule – der Gottesdienst der Zeugen am Freitag und am Sonntag – lernte ich, kaum konnte ich schreiben, kleine Fünfminuten-Vorträge über ein biblisches Thema zu halten. Das gehörte genauso dazu, wie das wöchentliche Treffen mit Buchstudium in einer Privatwohnung. Dort arbeiteten wir Bücher durch mit Fragestellungen zum biblischen Leben. Die Antworten waren allesamt schon feinsäuberlich notiert. Selber denken und hinterfragen war ausdrücklich nicht erwünscht.

Das schwarze Schaf: In einem Kellerzimmer

Der ältere Bruder war eine Enttäuschung für meine Eltern. Er hat sich von den Zeugen abgewendet, trank Alkohol und hörte Heavy Metal-Musik. Schon früh führte er ein abgesondertes Leben ohne Kontakt zur Familie in einem Zimmer im Keller. Dieses Zimmer war für uns tabu. Unser Bruder auch. Ich hatte keinen Kontakt zu ihm. Manchmal, wenn niemand zu Hause war, schlich ich mich in das Zimmer im Keller und sah mich um. Unser ältester Bruder war viel bei unserer Großmutter. Sie hat viel geweint und hatte keine Chance, zu meinem dogmatischen Vater durchzudringen. Mein ältester Bruder bewegte sich zeitweise in der rechtsradikalen Szene.

Die Lehre: Beruf spielt keine Rolle

Nach der Schule begann ich eine Lehre als Chemikant. Ich habe diesen Beruf gehasst. Aber ich war überzeugt, dass das Ende nahe ist, und es gar keine Rolle spielt, was für einen Beruf ich lerne.

Die Ehe: Nur gestritten, ohne Liebe

Das nächste Kapitel, das nie hätte sein dürfen: Mit 21 Jahren habe ich geheiratet. Wir waren nicht reif dafür. Wir sind uns körperlich näher gekommen, das war strikt verboten vor der Ehe. Ich glaubte, dass Gott alles sieht, sogar meine Gedanken lesen kann. Wir mussten es beichten und – heirateten. Zur gleichen Zeit, als ich Heiratspläne hegte, verliebte sich mein Zwillingsbruder in ein Mädchen ausserhalb der Zeugen und wurde ausgeschlossen aus der engen Gemeinschaft. Er war mein wichtigster Mensch für mich und ich durfte ihn nicht an meine Hochzeitsfeier einladen. Ausgestiegene Zeugen sind das Schlimmste für die Versammlung, denn sie haben sich bewusst von der einzigen Wahrheit abgewendet. In ihren Augen sind sie noch schlimmer als Mörder oder Vergewaltiger. Mein Hochzeitstag war die Hölle, mein schlimmster Tag. Auch die Ehe geriet zur Katastrophe. Wir haben nur gestritten, waren nicht reif genug, haben uns nicht geliebt. Die Verbindung hielt zwei Jahre.

Der Bruch: Schuldig und verdammt

Mein Zwillingsbruder, der mittlerweile fern von den Zeugen Jehovas im deutschen Passau lebte, suchte in dieser Zeit immer wieder den Kontakt zu mir, bis ich ihn dann besuchte. Zusammen mit ihm ging ich erstmals im Alter von 23 Jahren an eine Gothic-Party und verliebte mich unsterblich in ein Mädchen. Sie war der Grund, weshalb ich mit den Zeugen Jehovas, mit meinem ganzen alten Leben brach. Ich kündigte meine Stelle, liess mich scheiden, brach den Kontakt zu meinem Elternhaus komplett ab. Es war nicht die Überzeugung, dass die Zeugen falsch lagen mit ihrer Weltanschauung. Im Gegenteil, ich habe mich schuldig und verdammt gefühlt. Ich war mir sicher, dass ich jetzt verloren bin. Ich konnte mich nicht mehr ansehen, war der Überzeugung, dass Gott mich hasst, malte mein Gesicht weiss, die Lippen schwarz an, trank mich jeden Abend mit Absinth und Whiskey weg und wurde Satanist – wenn Gott mich hasst, muss mich der Teufel lieben.

Gleichzeitig hatte ich einen riesigen Freiheitsdrang und beschäftigte mich exzessiv mit Magie, Okkultismus und Satanismus. Ich wollte alles wissen und dieses riesige schwarze Loch in mir irgendwie füllen. Die Beziehung zur neuen Liebe, eine Frau mit Borderline-Syndrom, hielt dreieinhalb Jahre. Und dann lernte ich Carl Friedrich Frey – genannt Akron – in St.Gallen kennen. Er ist der Grund, weshalb ich hier in St.Gallen lebe. 17 Jahre lang hatte ich ein Schüler-Lehrer-Verhältnis zu ihm. Er hat mir geholfen, für mich selber zu denken und zu hinterfragen, er half mir, mein altes Weltbild in einem langen Prozess zu zerstören und an meine eigene Freiheit zu glauben. Es war eine Schlüsselbegegnung in meinem Leben. Nach seinem Tod im letzten Jahr hat er mir sein Amulett, das er ständig trug, vererbt.

Das neue Leben: Endlich fähig, zu genießen

Die Beziehung zu meiner nächsten Freundin dauerte dann zehn Jahre. In dieser Zeit fing ich an zu gamen, ich lebte komplett in einer künstlichen Welt durch diese Spiele. Zudem beschäftigte ich mich ständig mit dem Tod. Bei den Zeugen herrscht die Überzeugung, dass nach Harmagedon das Leben erst richtig beginnt. Das jetzige Leben ist nur die Vorbereitung auf das ewige Leben im Paradies. Mit 30 Jahren fing ich nochmals eine Lehre als Mediamatiker an. Ich bin jetzt 41 Jahre alt und würde sagen, dass ich seit zwei, drei Monaten bereit bin, das Leben endlich zu genießen, fähig bin, Neues auszuprobieren und endlich beziehungsfähig bin. Auch mein Zwillingsbruder hat nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Rehabilitationsklinik den richtigen Weg gefunden. Er hat das Abitur nachgeholt und studiert jetzt Philosophie, möchte doktorieren. Ich habe viele der Höllen erlebt, in denen Menschen stecken können. Ich kann mich deshalb sehr gut in Menschen hineinfühlen. Wahrscheinlich wird es in meinem Leben immer depressive Phasen geben, doch ich gebe diesen nicht mehr nach.»

InfoSekta: Am meisten Anfragen zu Jehovas Zeugen 

2400 Personen suchten im Jahr 2017 Hilfe bei der Fachstelle für Sektenfragen. Wie es im neusten Bericht von InfoSekta heißt, erhält die Fachstelle seit Jahren am meisten Anfragen zu den Zeugen Jehovas, zunehmend auch von verunsicherten Noch-Mitgliedern, Aussteigern und Ausgeschlossenen. Ein großes Thema ist der sexuelle Missbrauch von Kindern im geschlossenen System der Zeugen Jehovas. In mehreren Ländern laufen Gerichtsverfahren wegen sexueller Übergriffe gegen Mitglieder der christlich-fundamentalistischen Gemeinschaft. Ratlosigkeit angesichts der Verblendung der Betroffenen, Angst vor dem Auseinanderbrechen der Familie, schleichende Entfremdung bis hin zum Kontaktabbruch und Angst um das Wohl der Kinder, die unter sektenhaftem Einfluss stehen, sind die häufigsten Gründe für eine Anfrage bei InfoSekta. Infosekta ist eine konfessionell unabhängige Beratungsstelle für Fragen rund um sektenhafte Gruppen und verwandte Themen. Die Fachstelle besteht seit 1991. (chs)www.infosekta.ch

Quelle: luzernerzeitung.ch | Christa Kamm-Sager

Das Leben danach

Das Leben danach – die Langzeitfolgen nach dem Ausstieg bei den Zeugen Jehovas

Das Leben danach JWORG Blut Logo Zeugen Jehovas Wahrheiten jetzt! Das Leben danachGefangener der Zeugen Jehovas – Interview mit einem Aussteiger: Nimrod, der unter seinem bürgerlichen Namen nicht genannt werden möchte verbrachte seine gesamte Jugend gemeinsam mit seinen Eltern und zwei älteren Schwestern in der christlichen Sekte der Zeugen Jehovas, bis er im Erwachsenenalter den Entschluss zum Ausstieg und der Abkehr zur Religionsgemeinschaft fasste. Bis dahin bestimmte die Sekte bereits seit über 20 Jahren sein Leben – eine Zeit, die bis heute an ihm nicht spurlos vorübergegangen ist. Uns gab er die Möglichkeit für einen Einblick in seinen damaligen Alltag, um zu verstehen was es für ihn bedeutete als Jugendlicher im Kreise der Zeugen Jehovas aufzuwachsen.

Heute spreche ich mit einem der interessantesten Interviewpartner seit Langem: Dem 45 Jahre alten Nimrod aus Schleswig Holstein. Seine Eltern konvertierten in den 60er Jahren zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, der seine zwei älteren Schwestern, deren Familien und seine eigenen Eltern bis heute angehören. Er selbst fasste den Entschluss zum Austritt im Jahre 1993.

Mothersdirt: Wenn du an deine Kindheit bei den Zeugen Jehovas zurückblickst, welche Erinnerung hat dich bis heute am stärksten geprägt?

Ich glaube, es gibt da nicht DIE Erinnerung, die mich am stärksten geprägt hat. Natürlich erinnere ich mich daran, als kleines Kind, abends in den Zusammenkünften im Königreichssaal müde und unruhig auf dem Stuhl hin und her gerutscht zu sein, bis mich mein Vater an den Haaren in einen Nebenraum geschliffen hat. Dort wurden die Kinder sozusagen zur Ruhe gezüchtigt.

Ich erinnere mich auch an Geburtstage oder Weihnachtsfeiern in den ersten Schuljahren, an denen man als Zeuge Jehovas nicht teilnehmen durfte. Man gewöhnte sich früh daran „anders“ zu sein.

Als Einschlaflektüre lasen mir meine Eltern vor dem Zubettgehen biblische Geschichten vor. Am interessantesten waren da natürlich die alttestamentarischen Horrorgeschichten von einem brutalen Gott, der seine Widersacher ohne Gnade vernichtete. Es wurde immer wieder betont, dass die Vernichtung und die Dämonen das waren, was mich und alle anderen erwartete, wenn man sich vom Glauben abwand. So wurde ich von frühester Kindheit geschult.

Ich glaube, es ist das Gesamtpaket der Erinnerungen und Erlebnisse in frühester Kindheit, die mich geprägt haben.

Was aber als starke Erinnerung immer wieder zurückkommt, ist die Anspannung und Angst vor dem Vater, der damals als einer der Ältesten in der Versammlung eingesetzt war und einen Gummiriemen als Rute der Zucht missbrauchte. Angst vor Dämonen, Angst vor Vernichtung, Angst vor Sünde, Angst vor Bestrafung. Ich denke das Leben in ständiger Angst und Unsicherheit als Kind haben mein späteres Leben sehr geprägt. Ich wurde sozusagen auch nach dem Bruch mit den Zeugen von meinem Gewissen gejagt.

Es wurde immer wieder betont, dass die Vernichtung und die Dämonen das waren, was mich und alle anderen erwartete, wenn man sich vom Glauben abwand.“ – Nimrod

Mothersdirt: Der körperliche und geistige Missbrauch besonders bei sehr jungen Menschen bleibt meist der Öffentlichkeit nicht gänzlich verborgen. Wie war dein Verhältnis zu Gleichaltrigen außerhalb der Zeugen Jehovas und war dir der Umgang mit nicht Gläubigen überhaupt gestattet?

Aus meiner Erfahrung macht sich die breite Öffentlichkeit nicht viele Gedanken über die Zeugen Jehovas. Natürlich gibt es bei den Meisten irgendeine Vorstellung oder Vorurteile, die in der Regel nicht viel mit der Realität zu tun haben. Es wird schnell verurteilt, ohne nach Tatsachen zu forschen oder sich Gedanken über die einzelnen Schicksale der Menschen innerhalb dieser Organisation zu machen. So wurde mir in der Schule weiß gemacht, Zeugen Jehovas hätten keinen Fernseher und auch keine Türen im Haus. Doch… das haben sie!

Das liegt wohl in der Natur des Menschen, dem Unbekannten noch etwas Geheimnisumwobenes zuzudichten.

Was mein Verhältnis zu Gleichaltrigen betrifft, so kam ich in der Schulzeit ganz gut mit ihnen klar.

Der Umgang mit Menschen außerhalb der Organisation wird trotzdem, wenn möglich auf ein Nötigstes beschränkt. Schule, Arbeit… das war`s in der Regel. Vereinsmitgliedschaften und private Aktivitäten mit „Weltmenschen“ sind nicht gerne gesehen, Besuche von Diskotheken waren zu meiner Zeit Tabu und „weltliche Musik“ wurde oft dämonisiert. Auch hatten weder meine Schwestern noch ich je ein Poster aus der BRAVO an der Wand, da dies nach Ansicht der Zeugen, hauptsächlich aber meines Vaters, Personenkult darstellen würde und man keine Ideale außer Gott oder Jesus haben sollte.

Mothersdirt: Du beschreibst deinen Vater als aggressive und beherrschende Person in der Familie. Wurden die Verbote allein von deinem Vater, oder auch von deiner Mutter ausgesprochen? Wie würdest du das Verhältnis zwischen euch Kinder und den beiden Elternteilen beschreiben?

Ich denke, man muss zwischen den Regeln, die der Vater als Person durchsetzte und den Regeln, die von der Organisation der Zeugen Jehovas aufgestellt wurden, differenzieren. Die religiösen Regeln galten für alle und wurden sowohl vom Vater als auch von der Mutter durchgesetzt. Die Strenge des Vaters fehlte allerdings bei unserer Mutter.

Das Verhältnis zwischen uns drei Geschwistern war etwas schwierig, da meine Schwestern sieben und neun Jahre älter sind als ich. Meine älteste Schwester verließ mit 17 das Haus. Da war ich acht Jahre alt. Meine andere Schwester ging zwei Jahre später auch im Alter von 17. Beide heirateten sehr früh. Es fehlte irgendwie immer die Herzlichkeit oder der Zusammenhalt, den man innerhalb einer Familie und zwischen Geschwistern vielleicht erwartet. Jeder kämpfte seinen eigenen Kampf.

Auch zwischen unseren Eltern war soweit ich mich erinnern kann nie ein herzliches Verhältnis. Mein Vater war ein Tyrann und so behandelte er nicht nur uns Kinder sondern auch seine Frau.

Das Leben danach Nimrod Kindheit Zeugen Jehovas Wahrheiten jetzt! Das Leben danachMothersdirt: Würdest du die Spannungen innerhalb der Familie auf den Einfluss der Lehren der Zeugen Jehovas zurückführen? Oder ist es davon klar trennbar?

Die Spannungen, die innerhalb unserer Familie auftraten waren zum großen Teil dem Leben innerhalb dieser Organisation geschuldet. Natürlich trug die individuelle Art unseres Vaters gewisse Dinge umzusetzen ihren Teil dazu bei. Insofern sind die Spannungen nicht klar trennbar. Aber im Großen und Ganzen ist unsere Familie dem dogmatischen Irrglauben der Zeugen zum Opfer gefallen. Eine zerstörte Familie und zerstörte Persönlichkeiten im zweifelhaften Auftrag des Herrn.

Mothersdirt: Wenn du heute vom Irrglauben der Zeugen sprichst, wie waren deine Gedanken zur Lehre als Kind und Jugendlicher? Warst du überzeugter Anhänger, oder gab es auch größere Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung?

Als Kind und selbst noch als Jugendlicher habe ich nie die Lehre der Zeugen in Frage gestellt. Wenn ich etwas in Frage gestellt habe, dann eher meine eigene Kraft, diesen Glauben auszuüben. Ich fühlte mich oft zu schwach, sündhaft, unwürdig.

Ich war definitiv überzeugter Anhänger und für mich war diese Lehre keine Auslegung, sondern DIE Wahrheit und als solche bezeichnen die Zeugen ihren Glauben nach wie vor. „DIE WAHRHEIT“, neben Theokratie, Weltmenschen, Überrest, usw. etwas, was zum Sondervokabular der Zeugen Jehovas gehört.

Mothersdirt: Wenn du für dich die Lehre der Zeugen als „DIE WAHRHEIT“ angenommen hast und es für dich daran keinen Zweifel gab, wie und wann kam dir der Gedanke trotzdem auszusteigen?

Es war kein plötzlicher Gedanke, es war eher ein Prozess, der schleichend begann. Es fing auch nicht damit an, dass ich die Lehren in Frage stellte, sondern dass ich mich selbst immer weniger in der Lage sah, diese Lehren befolgen zu können. Am Anfang plagte mich mein Gewissen, dann wurde es für mich mehr und mehr ein praktiziertes Doppelleben. Irgendwann endete es dann im Chaos. Ich ging nicht mehr von Haus zu Haus und immer weniger in die Zusammenkünfte. Je mehr ich mich geistig entfernte, desto mehr wuchs gleichzeitig der Druck von Familie und Organisation. In einer Nacht- und Nebelaktion packte ich meine Sachen und verschwand einfach aus der vertrauten Umgebung. Zu diesem Zeitpunkt fehlte mir der Mut und die Kraft meine Entscheidung bei den Zeugen und meiner Familie öffentlich zu offenbaren. Ich verschwand sozusagen spurlos, hatte lediglich die nötigsten Dinge und Papiere im Gepäck. Anfangs kam ich bei den wenigen Bekannten unter, die ich außerhalb der Organisation hatte. Ich kämpfte mich zurück ins Leben ohne zu wissen, wer ich eigentlich bin, woran ich glaubte, was die Zukunft bringt und ob ich eine Chance habe.

Das, was ich hier in kurzer Form beschreibe, war ein langer Prozess, der irgendwann im Teenageralter begann und sein Finale in meinem 23. Lebensjahr hatte. Selbst die ersten Jahre nach den Zeugen konnte ich an der Lehre an sich nichts Falsches erkennen. Ich verteufelte lediglich die Menschen, die diese praktizierten. Erst mit sehr viel Abstand begann sich mein Geist neu zu orientieren und gleichzeitig meine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.

Ich kämpfte mich zurück ins Leben ohne zu wissen, wer ich eigentlich bin, woran ich glaubte, was die Zukunft bringt und ob ich eine Chance habe.“ -Nimrod

Mothersdirt: Hier und da hört man von ähnlichen Fällen wie deiner Geschichte und dem Druck, die willige Aussteiger erfahren. In welcher Form und Weise wurde auf dich vor deinem fluchtartigen Verschwinden Druck vonseiten der Familie und Organisation ausgeübt? Welche zu erwartende Konsequenzen hatten dich damals zur Flucht verleitet?

Wie schon beschrieben ist es zum großen Teil ein passiver Druck, dem man alleine schon durch sein von Kindheitstagen geschultes Gewissen ausgesetzt ist. Ein Druck, der sich bei jedem Fehltritt in Form von reuigen Gedanken meldet. Das Ergebnis einer über die Jahrzehnte perfektionierten Gehirnwäsche.

Eine andere Art von Druck ist natürlich auch die Beobachtung von Glaubensbrüdern und Schwestern, die jedes Schaf, das ihrer Meinung nach vom rechten Pfad abkommt bei der Ältestenschaft melden.

Es wird beobachtet, ob man regelmäßig die Zusammenkünfte besucht, sich aktiv daran beteiligt und gut vorbereitet hat, ob man seiner Pflicht der Verkündigung nachkommt und wie eng der Kontakt zu Menschen außerhalb der Organisation ist.

Für Kinder, die in diese Organisation geboren wurden, kommt natürlich noch die Erwartungshaltung der Eltern dazu, sich niemals vom „wahren Glauben“ abzuwenden.

Es ist also der Druck des eigenen Gewissens, der Respekt vor den Ältesten und die Angst zu enttäuschen – abgesehen von der Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit, die dich auf der anderen Seite erwarten. Insgesamt für viele Zeugen eine zu große Last, um sich endgültig von der Gemeinschaft trennen zu können.

„Die Flucht“ war sozusagen mein persönlicher Weg hinaus, um zumindest den eingehenden Gesprächen mit Ältesten und Eltern aus dem Weg zu gehen. So gab es für mich keine Argumente, die mich zurückhalten konnten, keine Vorwürfe und Angstmacherei, keinen zornigen Vater dem ich entgegentreten musste und keine weinende Mutter, die ich beruhigen musste. Immerhin haben meine Eltern zu diesem Zeitpunkt aus ihrer Sicht ihr Kind verloren.

Vielleicht wird dieser Weg von Außenstehenden als feige betrachtet, aber über 2 Jahrzehnte fremdgesteuertes Leben machen dich unsicher und labil.

Ich musste erst einmal selbst einen klaren Gedanken fassen, sehen wo ich stehe, Kraft tanken, die Füße auf die Erde bekommen.

Ich habe schon früh mitbekommen, welche katastrophalen Auswirkungen ein Gemeinschaftsentzug innerhalb einer Familie der Zeugen Jehovas haben kann.

Meine älteste Schwester brachte im Alter von ca. 17 Jahren einen Mann mit nach Hause. Er war kein Zeuge und fast 20 Jahre älter als sie. Ihr wurde aufgrund von vorehelichem Geschlechtsverkehr die Gemeinschaft entzogen und sie flog von zu Hause raus. Meine Eltern durften keinen Kontakt mehr zu ihr haben.

Mein Vater drehte durch und war nicht mehr ansprechbar, meine Mutter weinte sich durch die Nächte und ich versuchte irgendwie die Stellung zu halten und meinen Eltern nicht zusätzlichen Kummer zu bereiten.

Ich möchte hier noch einmal schildern, welche Auswirkungen für einen Zeugen der Gemeinschaftsentzug eines Glaubensbruders hat. Der Betreffende darf weder gegrüßt noch darf mit ihm gesprochen werden. Jeglicher Kontakt ist untersagt. Dieser Mensch ist der Vernichtung geweiht. Die einzige Möglichkeit für ihn ist Reue. Auch bei nahen Verwandten werden hier keine Ausnahmen gemacht.

Ich muss dazu sagen, dass meine Schwester irgendwann ihren „Fehltritt“ bereute und sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Ihr Mann nahm kurze Zeit später ebenfalls diesen Glauben an und sie sind bis heute verheiratet und haben mittlerweile fünf gemeinsame Kinder, die auch alle in diesem Glauben erzogen wurden, bzw. werden.

Mothersdirt: Im Hinblick auf drohende Konsequenzen hast du die Flucht nach vorne angetreten und deine gewohnte Umgebung verlassen. Wie lange warst du danach nicht auffindbar und wie wurde nach dir gesucht?

Ich war ca. drei Monate in der Versenkung verschwunden. Meine Eltern haben natürlich zunächst versucht, mich über Bekannte zu erreichen oder haben Orte aufgesucht, an denen sie mich vermuteten. Später wurde sogar die Polizei informiert.

Ich habe das alles von einem damaligen Weggefährten erfahren, dessen Eltern ebenfalls bei den Zeugen waren. Als ich davon erfuhr, meldete ich mich zunächst telefonisch bei meiner Familie.

Ich muss dazu sagen, dass ich vor meiner sogenannten Flucht ins Leben, Briefe sowohl für die Familie als auch für die Ältestenschaft der Zeugen abschickte.

Ich habe also darüber informiert, dass es nicht mein Ziel war mir mein Leben zu nehmen, sondern mein Leben zu finden.

Mothersdirt: Normalerweise zählt das Verschwinden des eigenen Kindes zum Schlimmsten, dass sich Eltern vorstellen können und eine Anzeige bei der Polizei erscheint dahingehend für die meisten als logischer Schritt. Welchem Umstand ist es schlussendlich zu verdanken gewesen, dass du wieder nach Hause zurückgekehrt bist und wie reagierte deine Familie und die Ältestenschaft darauf?

Zum einen war ich zu diesem Zeitpunkt fast 23 Jahre alt und wohnte nichtmehr bei meinen Eltern. Wie die meisten Zeugen Jehovas habe ich früh geheiratet. Da eine Beziehung zu einem Menschen des anderen Geschlechts in dieser Organisation ohne Heirat nicht wirklich möglich war/ist entscheiden sich viele junge Zeugen früh für diesen Schritt. Ich war gerade 19 Jahre alt.

Zum anderen hatte ich wie schon gesagt Briefe geschrieben, die meinen „Ausbruch“ erklären sollten. Einen Brief an die Ältesten der Versammlung, in dem ich meinen Austritt erklärte und auch meine Beweggründe offenbarte und einen Brief für meine Familie, mit der Bitte nicht nach mir zu suchen.

Ein Zurück in mein altes Leben gab es von diesem Zeitpunkt nicht mehr und ich habe diesen Schritt auch nie bereut.

Mothersdirt: Wie entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren deine Beziehung zu deinen Eltern? Gab es auch nach dem Brief an die Ältestenschaft noch irgendwelche Versuche dich in die Organisation zurückzuholen?

Das persönliche Verhältnis zu meinen Eltern und der Familie im Allgemeinen war von diesem Zeitpunkt an gebrochen. Lediglich zu meiner Mutter hatte ich in unregelmäßigen Abständen noch Kontakt. Da Zeugen Jehovas jedoch keinen Umgang mit Ausgeschlossenen pflegen dürfen, wurde dieser auch immer weniger.

Anfangs versuchte meine Mutter mich immer wieder  durch Gespräche zur „Umkehr“ zu bewegen. Sie gab mir auch immer mal wieder Zeitschriften oder Bücher der Zeugen mit.

Mit 25 Jahren änderte ich meinen Nachnamen, um zum einen mit der Vergangenheit abzuschließen und zum anderen nicht mehr ohne weiteres auffindbar zu sein. Ein weiterer Grund war der Spruch meines Vaters, „er hätte keinen Sohn mehr“.

Es gab von Seiten der Ältestenschaft später zwei Versuche mich zurück in die Organisation zu holen. Sie klingelten irgendwann unerwartet an der Haustür und baten um ein Gespräch. Ich konnte ihnen aber relativ schnell meinen mittlerweile gefestigten Standpunkt klar machen.

Mothersdirt: Seit deinem erfolgreichen Ausstieg sind mittlerweile viele Jahre vergangen und du konntest den geistigen wie auch körperlichen Missbrauch scheinbar gut verarbeiten. Gibt es trotzdem Spuren der seelischen Verletzung, die bis heute in deinem täglichen Leben nachwirken? Wenn ja, welche?

Natürlich haben die Jahre Spuren hinterlassen.

Jeder ist irgendwie das, was aus ihm gemacht wurde. Jeder ist als Kind sowohl von den Eltern als auch von den Umständen, in denen er aufgewachsen ist, geprägt worden. Dazu kommen die jeweilige genetische Veranlagung und natürlich ein wenig das, was man selbst aus seinem Leben macht.

Aus dieser Mischung wird dann wohl das, was man schlechthin als Persönlichkeit bezeichnet.

Auch meine Persönlichkeit wurde geprägt. Ich habe Eigenschaften geerbt, vieles in mir wurde kaputt gemacht, ich wurde in Ansichten hineingezwungen…

Ich weiß nicht, wer ich geworden wäre, wenn ich bei anderen Eltern, in einem anderen Land und unter anderen Umständen groß geworden wäre.

Ich habe nach der Zeit bei den Zeugen keine Freundschaften pflegen können, ich fühle mich bis heute in Gruppen nicht wohl und lasse Menschen meist nicht sehr nahe an mich heran, ich bin in vielen Dingen sehr emotionslos geworden, ich kann weder Trauer noch Freude richtig fühlen. Eines der Gefühle, die ausgeprägt sind, ist Wut. Ich habe lange in meiner eigenen Welt gelebt und noch immer Probleme, diese Welt mit anderen Menschen zu teilen. Ich habe viele Jahre unter Depressionen gelitten, ohne für mich einordnen zu können, dass es welche sind. Fehlende Lebensfreude, mangelnde Motivation und ständige Müdigkeit gehörten lange zu meinem Alltag. Nach zwei gescheiterten Ehen und drei Kindern zu denen kaum, bis gar kein Kontakt besteht, habe ich vor ein paar Jahren den Entschluss gefasst mich zu befreien und für mich zu kämpfen.

Ich habe eine Partnerin, die mir gut tut, ich arbeite an mir, unserem gemeinsamen Kind ein besserer Vater zu sein und ich habe mich vor ca. einem Jahr in psychosomatische Behandlung begeben. Zusätzlich habe ich nach über 20 Jahren im letzten Jahr Kontakt zu einigen Menschen meiner Familie aufgenommen und versucht etwas Vergangenheit aufzuarbeiten.

Es geht bergauf.

Das Leben danach Ausstieg Sekte Zeugen Jehovas Wahrheiten jetzt! Das Leben danachMothersdirt: Obwohl du bereits im noch jungen Alter einen der ersten realistischen Möglichkeiten zum Ausstieg nutzte, war zu diesem Zeitpunkt deine Jugend bereits zerstört und die weitere Zukunft vorgeprägt. Welchen Rat würdest du aus heutiger Sicht einem jungen Erwachsenen mitgeben, der trotz möglicher Konsequenzen selbst ernsthaft mit dem Gedanken spielt aus der Gemeinschaft auszutreten?

Da ich weiß, wie schwer es ist den Schritt aus dieser Organisation zu gehen, insbesondere bei Menschen, die in diese hineingeboren wurden, ist es nicht leicht einen Rat zu geben, der pauschal eine Lösung bietet.

Wer mit dem Gedanken spielt, diese Gemeinschaft zu verlassen, muss sich der Konsequenzen bewusst sein und bereit sein, damit zu leben.

Letztendlich sollte aber jeder auf sein Herz hören, und wenn das Gefühl dir sagt, dass der Weg der Zeugen Jehovas nicht deiner ist, dann sollte man auch bereit sein, für sein Leben zu kämpfen.

Es gibt viele Hilfestellungen, die man in solch einem Fall auch in Anspruch nehmen sollte.

Einfache Dinge wie Sportvereine, Hobbys, Internetforen oder vielleicht alte Schulfreunde können behilflich sein, erste Kontakte nach außen zu knüpfen. Wichtig ist, nicht das Gefühl zu haben nach der Zeit als Zeuge alleine zu sein. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit eine Therapie in Anspruch zu nehmen, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Gespräche und Erfahrungsaustausch mit anderen ausgeschlossenen Zeugen könnten ebenfalls eine Hilfe sein, sich über seine eigenen Beweggründe im Klaren zu werden.

Wer mit dem Gedanken spielt, diese Gemeinschaft zu verlassen, muss sich der Konsequenzen bewusst sein und bereit sein, damit zu leben.“ -Nimrod

Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, wie schwer man sich tun kann, sein vertrautes Leben hinter sich zu lassen. Aber wie heißt es in einem alten Seefahrerspruch: „Man kann keine neuen Ufer entdecken, hat man nicht den Mut die Küste aus den Augen zu verlieren.“

Und jeder der diesen Mut hat, wird irgendwann feststellen, dass es sich gelohnt hat zu kämpfen und dass dieses Leben so viel mehr zu bieten hat als wöchentliche Versammlungen, dem Studium von Publikationen, die von alten religiösen Heuchlern herausgegeben werden und dem ständigen Druck, irgendwelchen Regeln nicht gerecht werden zu können.

Kämpfe um dein Leben, kämpfe für dich selbst. Es lohnt sich.

…..und in 20 Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus dem sicheren Hafen. Erfasse den Wind mit deinen Segeln. Erforsche…Träume.

Mothersdirt: Nimrod, herzlichen Dank für das interessante Gespräch und all die detaillierten Eindrücke aus deiner Kindheit bei den Zeugen Jehovas.

Für all jene, die selbst an einen Ausstieg denken oder sich mit diesem Thema noch etwas genauer beschäftigen möchten, gibt es am Ende des Beitrages noch einige Links zu Erzählungen von Ehemaligen, Adressen von Beratungsstellen sowie allgemeine Informationen und Hilfestellungen zum Ausstieg bei den Zeugen Jehovas.

Quelle: mothersdirt

von |Februar 17th, 2017|Kommentare deaktiviert für Das Leben danach

Lebensbericht – Jehovas Zeugen

Lebensbericht – Jehovas Zeugen

Anmerkung: Die Namen sind geändert. Wenn nicht anders angegeben sind die Bibeltexte der Elberfelder Übersetzung von 1993 entnommen.

 

Teil 1: GEFUNDEN VON JEHOVAS ZEUGEN 

Unsere Geschichte begann genau wie die tausender anderer Menschen: Ich war auf der Suche nach etwas, auf das ich nicht den Finger legen konnte. Ich wusste, dass mir etwas in meinem Leben fehlte. Ich war damals 22 Jahre alt, in einen jungen Mann verliebt und mit ihm verlobt. Während ich an der Universität studierte, um Übersetzerin zu werden, studierte mein Bräutigam Betriebswirtschaft. Immer wieder machte ich mir Gedanken über den Sinn des Lebens. Ich glaubte an Gott und hatte auch eine Beziehung zu Ihm. Ich betete sogar zu Ihm, aber meine Kenntnisse über Ihn und mein Verständnis von Ihm waren sehr dürftig. Mein Verlobter, Markus, behauptete ein Agnostiker zu sein. Wegen der Schönheit der Natur war er davon überzeugt, dass Gott irgendwann einmal existiert haben musste. Aber er glaubte, dass Gott nicht mehr existent sei, sonst wäre das Leben nicht in einem solch fürchterlichen Zustand, und es gäbe nicht so viel Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit in der Welt.

So waren wir, genau wie viele andere, bereit für die Wahrheit der Zeugen Jehovas. Am 1. Januar 1971 kam ein junger Mann, 25 Jahre alt, zum Haus meiner Schwiegereltern. Ich besuchte zu dieser Zeit meinen Verlobten und seine Großmutter. Zum ersten Mal in unserem Leben erfuhren wir Dinge aus der Bibel, über die wir so viele Jahre nachgedacht hatten. Alles klang so gut! Nachdem wir uns einige Stunden mit dem jungen Mann unterhalten hatten, waren wir, gelinde gesagt, beeindruckt von seinem Bibelwissen.

Begierig nahmen wir das Buch „Die Wahrheit, die zu ewigem Leben führt“ entgegen. Allerdings sagten wir diesem jungen Mann, dass wir erst in etwa sechs Wochen wieder mit ihm reden könnten, da wir mitten in unseren Examen steckten. Aber nachdem wir die ersten 60 Seiten des Buches gelesen hatten, waren wir so begeistert, dass wir ihn am nächsten Tag anriefen, und ein paar Tage danach begannen er und seine Frau mit uns ein Bibelstudium. Unsere Eltern verweigerten Zeugen Jehovas den Zutritt zu ihren Wohnungen. Da Markus und ich noch nicht verheiratet waren, wollte das Ehepaar nicht in mein Studentenapartment kommen. Daher beschlossen wir, die Bibel bei ihnen zu Hause zu studieren.

Es begann damit, dass wir viele Fragen stellten. Eigentlich hatten wir seitenweise Fragen. Wir besprachen sie eine nach der anderen, aber meistens erst, nachdem wir einen Teil des „Wahrheitsbuchs“ besprochen hatten. Es gefiel uns sehr. Unvorstellbar, dass wir endlich Antworten auf Fragen bekamen, die uns seit Jahren geplagt hatten: Was ist der Sinn des  Lebens, warum gibt es so viel Leid, warum müssen wir sterben, was ist mit der Hölle, gibt es ein Leben nach dm Tod, wissen die Verstorbenen, wie es um die Lebenden steht usw., usw. Nicht einer unserer Religionslehrer oder Pastoren war in der Lage gewesen, diese Fragen zu beantworten!

Markus war davon überzeugt, dass das, was wir lernten, DIE WAHRHEIT war. Ich hoffte es mit Bangen, denn ich hatte vor jedem Studium Angst, dass sich alles am Ende doch als Märchen herausstellen könnte: Für immer auf einer paradiesischen Erde zu leben, alle Schlechtigkeit wäre vorbei. Mein Mann und ich würden glücklich für immer weiter leben, ohne den Tod zu erleben, weil Harmagedon, Gottes Krieg, der alle Dinge zurecht bringen würde, ganz nahe war. (Ich erinnere mich noch daran, wie mein Mann kurz nach unserer Heirat zu mir sagte: „Liebling, es ist schade, dass dieses System [d.h. diese Welt] nicht mehr lange dauern wird. Da werde ich dich ja nie als schöne alte Dame zu sehen bekommen.“

Zeugen Jehovas hatten vorausgesagt, dass wir Widerstand erfahren würden, jetzt, da wir die „Wahrheit“ kennen lernten. Wir erlebten die Erfüllung dieser „Prophezeiung“ unmittelbar. Je länger wir studierten, desto stärker wurde die Opposition unserer Eltern. Ich erinnere mich noch an eine sehr dramatische Situation. Eines Tages, als meine Familie zusammen saß, reichte mir mein Vater die Schere, die meine Mutter gerade bei ihrer Handarbeit benutzte, und sagte mit großem Nachdruck: „Warum bringst du mich nicht gleich damit um, denn genau das ist es, was du tust, wenn du mit den Zeugen studierst.“ Er meinte sogar, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn ich mit den Katholiken oder mit sonst wem studieren würde. Warum mussten das ausgerechnet die Zeugen sein?! Er muss ziemlich frustriert gewesen sein, denn er hasste alles Katholische. Seine Worte verletzten mich wirklich sehr, denn mein Vater pflegte für mich immer gleich nach Gott zu kommen. Selbst mein Verlobter wäre nach ihm gekommen, wenn dies je ein Streitpunkt gewesen wäre.

In dieser Situation erlebten wir dann die Erfüllung einer weiteren Prophezeiung, die die Zeugen Jehovas gemacht hatten: Der Widersacher (Satan, der Teufel) musste meinen Vater beeinflusst haben, denn warum sollte irgendjemand etwas gegen das Studium der Bibel haben?! Jedes Mal, wenn ich das Haus meiner Eltern verließ, war ich am Boden zerstört, aber ich war bemüht, es nicht zu zeigen, um dem Widersacher nicht das Gefühl zu geben, dass er, was mich anbetrifft, den Sieg davontragen könnte. In den Augen der Zeugen, die mit uns studierten, trug der Widersacher einen gewissen Sieg davon, als ich nach nur wenigen Wochen mein Bibelstudium mit ihnen abbrach, da ich zu meinen Eltern zurückzog. Es war so, dass ich mein Universitätsstudium nicht fortsetzte, obwohl ich vor dem Abschlussexamen stand. Für das Examen musste ich eine Diplomarbeit schreiben. Dies tat ich, jedoch hinderte eine Augenkrankheit meine Dozentin einige Monate am Lesen, und als sie meine Arbeit endlich lesen konnte, gefiel sie ihr nicht. Später erfuhr ich, dass sie die Diplomarbeiten aller Examenskandidaten in einem Buch zusammenfassen wollte. Da meine Arbeit aus dem Rahmen fiel, verlangte sie, dass ich sie neu schreiben solle.

Während dieser Zeit fand mein Verlobter eine Arbeit in einer Firma in der Nähe unserer neuen Wohnung. Als mir ein paar Wochen später eine interessante, gut bezahlte Arbeit in derselben Firma angeboten wurde, verließ ich die Universität. Aber es machte mir nichts aus, denn ich hatte gute Zensuren und die Gelegenheit, in derselben Firma zu arbeiten, in der Markus einige Monate später, nach seinem Examen, anfangen würde. Zudem würde die Welt ja sowieso nicht mehr lange weiter bestehen.

Markus setzte sein Bibelstudium fort und erzählte mir jeweils, welche neuen Wahrheiten er gelernt hatte. Dann waren unsere ZeugenFreunde davon überzeugt, dass Satan wiederum siegreich war, weil es schien, dass ich geistig zu schwach war, um den ständigen Konfrontationen mit unseren Eltern Widerstand zu leisten. Infolgedessen überredete ich meinen Verlobten dazu, uns ungefähr 5 Monate nach unserer ersten Begegnung mit den Zeugen in einer protestantischen Kirche trauen zu lassen. Satan schien noch einen weiteren Sieg errungen zu haben, denn Markus unterbrach auch sein Bibelstudium, weil wir in eine andere Stadt zogen. Der Hauptgrund war jedoch, dass Markus mitten in seinem Abschlussexamen steckte.

Drei Monate später, im August 1971, besuchten uns die Zeugen Jehovas wieder, um unser Bibelstudium fortzusetzen. Da sie eine halbe Stunde Fahrtzeit hatten, wechselten sie sich mit anderen Zeugen ab, um ihre Fahrtkosten zu reduzieren. Zu dieser Zeit lernten wir mehr Zeugen Jehovas kennen und freundeten uns mit ihnen an. Gleichzeitig verloren wir unsere Freunde, die keine Zeugen waren. Zwei Ehepaare, mit denen wir gesprochen hatten, wurden jedoch nach gut einem Jahr ebenfalls Zeugen Jehovas.

Zu der Zeit erfuhren wir auch, dass wir bei den Zeugen Jehovas recht „berühmt“ geworden waren, denn unser „Fortschritt“ in unserem Bibelstudium war so „schnell“, und zu unserer Überraschung waren sie offensichtlich beeindruckt von unserer Ausbildung und beruflichen Entwicklung. Infolgedessen wurden wir eingeladen, bei zwei Kongressen öffentlich davon Zeugnis abzulegen, wie wir Zeugen Jehovas geworden waren. Auch erzählten einige prominente Brüder unsere „Erfahrung“, d.h. wie wir Zeugen Jehovas geworden waren, bei großen Kongressen (natürlich ohne unsere Namen zu nennen). Einer davon wurde von ca. 70 000 Zeugen Jehovas und ihren Freunden besucht.

Wir hatten im Januar 1971 mit unserem Bibelstudium begonnen. Im März hatte ich meine Arbeit als Fremdsprachen-Sekretärin begonnen. Im Juni heirateten wir und zogen in unser neues Heim ein. Im August fing mein Mann mit seiner neuen Arbeit an. Im September traten wir aus der protestantischen Kirche aus. Am 26. März 1972 wurden wir als Zeugen Jehovas getauft.

Während der vorangegangenen Monate hatten uns die Zeugen Jehovas gelehrt, wie wir wirkungsvoll unseren Verwandten „Zeugnis geben“ können. Und wieder zeigten sie uns, wie eine weitere Prophezeiung sich in unserer Situation erfüllte: „Ein Prophet ist nicht ohne Ehre, ausgenommen in seinem Heimatgebiet und in seinem eigenen Haus“ (Matthäus 13:57). Jeder Einzelne, dem wir uns nahe fühlten, war gegen unseren neuen Glauben. Aber einer der Ingenieure der Firma, in der wir arbeiteten, und seine Frau waren an einer Freundschaft mit uns interessiert. Wir waren damit nur einverstanden, weil sie an der „Wahrheit“ interessiert waren. Ich führte mit der Frau ein „Heimbibelstudium“ durch, und mein Mann schließlich eines mit ihrem Mann. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie oft er uns telefonisch um Hilfe bat, weil er versuchte, einem anderen Ingenieur in seinem Büro, einem überzeugten Katholiken, seine neuen Anschauungen zu beweisen. Manchmal holte er Markus aus einer Konferenz heraus, weil er eine Bibelstelle suchte. Auch werde ich nie vergessen, wie wir eine ganze Nacht hindurch mit ihnen und einigen seiner Freunde, u.a. einem Diplomgeologen und einem Diplombiologen, diskutierten. Wie auch der Ingenieur, glaubten sie an die Evolution. Ungefähr um 6 Uhr am nächsten Morgen sagte der Ingenieur nicht mehr: „Ihr sagt …, und Jehovas Zeugen sagen …“, sondern stattdessen sagte er: „Wir glauben, dass …“, und stand damit auf unserer Seite. Einige Monate später wurden er und seine Frau Zeugen Jehovas. Dies erregte ziemliches Aufsehen in der Firma, denn viele erwarteten, dass der Ingenieur anfangen würde, unserer Lebensweise zu folgen, wie dies etwas später zu lesen ist.

Wir hatten von Zeugen Jehovas gelernt, dass die Generation von 1914 Harmagedon überleben würde, und 1972 war sie schon recht alt. Wir waren daher wirklich davon überzeugt, dass die Welt sehr bald enden würde. Ich erinnere mich daran, dass ich den Menschen gegenüber davon sprach, dass ihre Kinder nicht mehr erwachsen werden würden. Wir verzichteten daher auch darauf, Kinder in die Welt zu setzen, denn wir waren felsenfest davon überzeugt, dass wir sie noch im neuen System oder Paradies nach Harmagedon bekommen könnten, wenn dies Gottes Wille für uns wäre.

Ja wir waren bereit zu warten, denn wir hatten ja, wie wir dachten, alle erdenkliche Zeit, endlose Zeit, um Kinder zu bekommen und so sagte ich etwas provokativ, wir könnten  auch noch in 1000 Jahren Kinder haben. Es gilt zu bedenken, dass wir glaubten, dass bald Harmagedon kommen würde, gefolgt von einem ewigen Paradies hier auf der Erde, und wir würden natürlich auch dort sein. Dann würde ich nicht einmal Geburtsschmerzen haben, weil es Schmerzen gemäß der Bibel dann nicht mehr geben würde (Offenbarung 21:4).

Unsere Überzeugung war in der Firma bekannt, und es ging ein Gerücht um, mit dem man sich über mich lustig machte: „Frau Berger wird ihre Kinder in 1000 Jahren bekommen.“ Der junge Ingenieur wurde oft mit der Frage aufgezogen: „Werden Sie ihre Kinder auch erst in 1000  Jahren bekommen?“ Damals nahm er es mir wirklich übel, dass ich jemals solch eine Bemerkung gemacht hatte, aber später lachten wir oft darüber. Die Lehren der Zeugen Jehovas hatten uns davon überzeugt, dass die Menschen wirklich all die Dinge lernen mussten, die wir gelernt hatten, wenn sie Harmagedon überleben wollten. Diese Überzeugung und die Tatsache, dass die Zeit für sie knapp wurde, veranlassten uns, „Allgemeine Pioniere“ zu werden. Damals verbrachte jeder Allgemeine Pionier 100 Stunden im Monat damit, die „Wahrheit“ mit anderen zu teilen. Da ich sofort damit anfangen wollte, war mein Mann mit meinem Wunsch, halbtags zu arbeiten, einverstanden. Aber die Firma bewilligte keine Teilzeitarbeit, da dies damals nicht üblich war. Man hatte außerdem die Befürchtung, dass andere Frauen dies auch verlangen könnten, wenn man mir die Halbtagsarbeit zugestehen würde. Obwohl mich mein Chef wiederholt buchstäblich anbettelte, ein mir von der Firma zeitlich befristetes Arbeitsangebot zu akzeptieren, schlug mein Mann vor, ich solle ganz aufhören zu arbeiten. Froh stimmte ich zu und versuchte unter immer größer werdendem Zeiteinsatz, Menschen zur Rettung zu verhelfen.

Anfang des Jahres 1973 wurde meinem Mann die Stelle des Assistenten des europäischen Chefs des Konzerns in Brüssel angeboten. Sein ganzes Leben lang hatte mein Mann von solch einem Job geträumt. Aber stattdessen bat er um Halbtagsarbeit. Wir fanden, dass es typisch für Satan war, dass Markus dieses Angebot an genau dem Tag gemacht wurde, als er beschlossen hatte, „Pionier“ zu werden.

So war er stolz darauf, dass er das Angebot nicht annahm, denn es hätte ihn daran gehindert, ein ganzherziger Zeuge Jehovas zu sein. Damals war mein Mann davon überzeugt, dass er sich ganz andere Arbeit würde suchen müssen, weil nicht einer in der Firma von über 3000 Angestellten eine Teilzeitarbeit hatte. So begannen wir, eine andere Arbeit für ihn zu suchen. Wir schauten auch nach einer kleineren, preiswerteren Wohnung, die wir uns würden leisten können, da wir auch ein drastisch geringeres Einkommen erwarteten. Wir tauschten auch unseren Sportwagen gegen ein kleineres Fahrzeug ein.

In dem Wohnblock, in dem wir wohnten, lebte ein Paar, das, wie wir erst später erfuhren, die einzige kleine und preiswerte Wohnung im ganzen Wohnblock gemietet hatte. Während ich eines Tages mit der Frau über unsere Suche nach einer kleinen Wohnung sprach, sagte sie, dass sie unsere Wohnung gern einmal anschauen würde, da sie liebend gerne eine größere hätten. Ihnen gefiel unsere Wohnung sehr. Dann schauten wir uns ihre Wohnung an, die unter dem Dach gelegen war. Da sie uns gefiel, tauschten wir unsere Wohnungen. Wir spürten wirklich, dass Gott Seine Hand im Spiel hatte, besonders als wir erfuhren, dass die beiden einige Monate später wieder ausziehen mussten. Sie konnten die Miete nicht aufbringen, was wir natürlich nicht gewusst hatten, und es tat uns auch sehr leid.

Das Großartigste war, dass die Firma Markus schließlich mitteilte, dass „ihnen ein halber Berger lieber sei als überhaupt kein Berger“ und ihm eine Halbtagsstelle gab. Zu unserer größten Überraschung entsprach sein Gehalt genau demjenigen, das man ihm gezahlt hatte, als er ein Jahr zuvor angefangen hatte ganztags zu arbeiten.

So wurden wir am 1. April 1973, ein Jahr nach unserer Taufe als Zeugen Jehovas, „Allgemeine Pioniere“ und es machte uns sehr viel Freude. Seit der Zeit warteten viele in der Firma, in der mein Mann arbeitete, darauf, dass auch der Ingenieur um Halbtagsarbeit nachsuchen würde.

Kurze Zeit, nachdem wir mit dem „Pionierdienst“ angefangen hatten, wurden wir von einem Bruder vom „Bethel“ – das bedeutet Haus Gottes – in Wiesbaden besucht (heute befindet es sich in Selters/Taunus), der deutschen Zentrale der Zeugen Jehovas. Er spielte u.a. eine führende Rolle bei der Beaufsichtigung von Übersetzung, Druck und Verteilung der Literatur der Zeugen Jehovas für Ostblockländer, in denen das Werk der Zeugen verboten war. Obgleich ich nur etwas Kenntnis der russischen Sprache hatte, wurde ich gebeten, handgeschriebene Artikel mit der Schreibmaschine zu schreiben, die aus den englischsprachigen Zeitschriften „Der Wachturm“ und „Erwachet!“ (von der WachtturmBibel-und-Traktat-Gesellschaft in Brooklyn, New York, herausgegeben) ins Russische übersetzt waren.

Begeistert willigte ich ein, und wir waren auch glücklich darüber, dass wir der Gesellschaft die Schreibmaschine als Spende zur Verfügung stellen konnten, um zur Unterstützung dieses wichtigen Dienstes beizutragen. Nun fühlten wir uns noch mehr als Teil einer weltweiten Organisation, die den Vorsatz hatte, Menschen erdenweit zu helfen. Wie gewöhnlich während der Sommerkongresse, so wurden auch 1973 beim Kongress in München diejenigen Zeugen Jehovas, die sich zur Verfügung stellen konnten, eingeladen, im Bethel, der Zentrale der Zeugen Jehovas, Vollzeitdienst zu verrichten. Betheldiener, wie sie genannt wurden, erhielten Taschengeld für ihre freiwillige Arbeit, Essen und Unterkunft kostenlos. Die andere Einladung, die gewöhnlich während dieser Kongresse gegeben wurde, war die zum Missionardienst. Wir waren aufgeregt, als wir das Formular für eine vorläufige Bewerbung ausfüllten in der Hoffnung, eine Einladung zum Missionardienst zu erhalten. Zu der Zeit erfüllten wir noch nicht die Voraussetzungen dafür, da wir noch nicht lange genug Zeugen Jehovas und Pioniere waren.

Es war damals so, dass die Wachtturm-Gesellschaft Bewerber für den Missionardienst als so genannte „Sonderpioniere“ in eine englischsprachige Versammlung schickte. Dies geschah, um ihnen zu helfen, die englische Sprache zu lernen in Vorbereitung auf die Missionarschule, Gileadschule genannt. Diejenigen, die das große Vorrecht hatten, zur Gileadschule eingeladen zu werden, durchliefen einen fünf Monate dauernden Bibelkursus in der „Watchtower Bible and Tract Society“, der Weltzentrale der Zeugen Jehovas in New York City. Diejenigen, die ihn erfolgreich abschlossen, erhielten ihre Missionarzuteilung. Das tat praktisch jeder, da die Wahl derer, die eingeladen wurden, sehr sorgfältig getroffen wurde.

Nur etwa zwei Monate, nachdem wir uns für den Missionardienst beworben hatten, sandte uns die Wachtturm-Gesellschaft unsere Zuteilung, als „Sonderpioniere“ in einer englischsprachigen Versammlung zu dienen. So fanden wir uns im Januar 1974 in Bad Nauheim wieder und verbrachten 150 Stunden pro Monat damit, Bibelstudien durchzuführen, Menschen zu predigen und sie zu unterrichten. Natürlich bedeutete dies, dass wir jegliche Art weltlicher Arbeit aufgeben mussten. Wir zogen aus unserem Heim und von unseren Eltern fort. Von da an sahen wir sie nur ungefähr drei- bis fünfmal im Jahr, jeweils für nur ein bis zwei Tage im Monat. Der Grund war, dass wir unser Zuteilungsgebiet und die örtliche Versammlung nicht mehr als ein bis zwei Tage im Monat verlassen sollten. Auch hatten wir zu Anfang nur 14 Tage Urlaub im Jahr, was Wochenenden und Feiertage mit einschloss. Letztere feiern Jehovas Zeugen sowieso nicht. Natürlich gingen wir sehr geizig mit unseren freien Tagen um, besonders da ich jeden Sommer Heuschnupfen hatte und die Zeit dringend brauchte, um mich zu erholen. Sie reichte natürlich nie aus. Für jedes zweite Jahr im Vollzeit-Predigtdienst bekamen Sonderpioniere einen zusätzlichen Urlaubstag.

Um in unserer Zuteilung anfangen zu können, mussten wir aus finanziellen Gründen eine Einzimmerwohnung finden, was eine ziemliche Herausforderung darstellte. Nachdem wir schließlich eine gefunden hatten, verkauften wir unser gesamtes Mobiliar und behielten nur einige Stücke, die zu alt waren, um sie verkaufen zu können. Dann zogen wir um. Wir spürten wieder die Hilfe Gottes, denn die Schwester meines Mannes, die zu der Zeit verlobt war [sie heiratete erst 1 1/2 Jahre später!], kaufte unsere Möbel und trat in unseren Mietvertrag ein. Das war großartig, da die Gesellschaft uns nur zwei Monate gegeben hatte, um in unserer neuen Zuteilung zu beginnen. Wir verkauften wieder unseren Wagen und tauschten ihn gegen einen noch kleineren und billigeren ein. Nachdem die Kosten für unsere Krankenversicherung abgezogen waren, blieben uns von da an monatlich DM 390,-, wovon allein für die Miete DM 180,- abgingen, ohne Strom, Heizung oder Wasser usw. Da wir unsere Möbel verkauft hatten, blieben uns glücklicherweise ein paar Ersparnisse, was uns half, uns den neuen finanziellen Umständen anzupassen.

Menschlich gesehen, schien es absolut unmöglich, von einer so geringen Summe leben zu können, und ich muss zugeben, dass ich zu Anfang ein bisschen Angst hatte, ob wir es überhaupt schaffen könnten. Aber wir vertrauten auf Gottes Unterstützung in Anbetracht Seiner Verheißung in Matthäus 6:33: „Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden.“  Auch lernt man schnell, sich anzupassen. Außerdem war Geld nicht wirklich wichtig für uns, viel wichtiger war das Leben der Menschen!

Selbstverständlich dachten unsere Eltern, dass wir den Verstand verloren hätten und unterstützten uns natürlich in keiner Weise.

Wahrscheinlich waren sie der Ansicht: „Sollen doch Gott oder Jehovas Zeugen ihnen helfen.“ Und Er half uns ohne Zweifel, wann immer wir ein Problem hatten, oder wenn uns etwas fehlte. Wir könnten noch eine weitere Geschichte schreiben, und zwar darüber, wie Er dies tat. Wenn wir Hilfe brauchten, fragten wir niemals Menschen oder Zeugen Jehovas, sondern immer nur Ihn. Natürlich wählte Er oft einige von ihnen, die Er benutzte. Nie ließ Er uns im Stich. Zum Beispiel war es eine große Hilfe, dass wir ein- bis dreimal in der Woche bei Brüdern und Schwestern nach Hause zum Essen eingeladen waren. In den meisten Fällen war dies keine regelmäßige Angelegenheit und auch nicht während der gesamten Zeit, in der wir Pioniere waren, aber wann immer wir eingeladen waren, schätzten wir es wirklich sehr. Unser Leben war sehr erfüllt, da wir suchenden Menschen die wundervollen Wahrheiten zeigen konnten, die wir gelernt hatten, und ihnen reichlich biblischen Rat vermitteln konnten. Dies war für sie eine extrem große Hilfe, wenn sie es in ihrem Leben anwandten. Wir sahen, wie unglückliche Menschen glücklich wurden, wie Menschen ohne Ziel im Leben einen Sinn darin fanden. Menschen mit allen Arten von Problemen – Eheprobleme standen an erster Stelle, aber auch Alkoholiker, Drogenabhängige, und sogar Personen, die Probleme hatten, die von Dämonen verursacht waren, – wurden freigemacht, um Diener Jehovas zu werden.

Einige von ihnen verließen das Militär aus Gewissensgründen. Dies war eine gewaltige Entscheidung, weil sie in den meisten Fällen keine Garantie hatten, in den Vereinigten Staaten Arbeit zu finden, wohin sie zurückkehren mussten, um die Armee verlassen zu können. Viele verloren Freunde und Familienmitglieder, weil sie für ihren neuen Glauben loyal Stellung bezogen. Es war eine wirklich aufregende Zeit für uns. Ja, es war auch sehr befriedigend zurückzuschauen auf die Zeit, als es noch keine Versammlung in unserer ersten Zuteilung gegeben hatte. Innerhalb weniger Jahre war die Gruppe von zehn Personen, die in unserem Königreichssaal anwesend waren (so nennen sich die Zusammenkunftsstätten der Zeugen Jehovas), auf 80 Brüder und Schwestern angewachsen, einschließlich uns und einer Schwester aus der örtlichen Versammlung. Ich erinnere mich noch an das erste öffentliche Gebet, das mein Mann sprach, als diese Gruppe zusammen kam. Es war das kürzeste Gebet, das ich ihn je hatte sprechen hören, weil seine Englischkenntnisse und ihre Anwendung bis dahin auf weltliche Dinge beschränkt gewesen waren.

Wenn ich unsere Gefühle zusammenfasse, kann ich sagen, dass wir wirklich glaubten, von Gott gebraucht zu werden als Seine Werkzeuge. Wir versuchten, Menschen für das neue System zu retten, mit der Belohnung ewigen Lebens vor Augen. Ich denke, wir empfanden oft so etwas, wie ‚Wer kann (viel) mehr tun?‘. Ja, wir ‚rangen danach‘ (Lukas 13:24), versuchten mit großen Anstrengungen, alles zu tun, was Gott von uns erwartete, wie uns dies durch den „treuen und verständigen Sklaven“ dargelegt wurde.

Dieser „treue und verständige Sklave“ wird von Jehovas Zeugen als der Kanal angesehen, den Jehova Gott in dieser Zeit des Endes gebraucht. Gemäß der Überzeugung der Zeugen Jehovas gehören die Glieder dieses „Sklaven“ zur Klasse der 144 000, die Gott erwählt hat, in den Himmel zu gehen. Die anderen Zeugen Jehovas rechnen damit, ewiges Leben hier auf der Erde zu bekommen. Grundlage dieser Glaubensansichten sind z.B. folgende Schriftstellen: Matthäus 24:45; Offenbarung 14:1; 7:4,9,13,14; Matthäus 5:5.

Nach nur einem Jahr im Sonderpionierdienst begann ich, ernsthafte Gesundheitsprobleme zu haben. Heute verstehe ich warum, denn wir arbeiteten oft bis Mitternacht. Häufig nahmen wir uns nicht einmal Zeit zu essen, weil wir jede Woche 30 bis 40 Bibelstudien durchführten. (Ich möchte erwähnen, dass die meisten deutschen Brüder im Sonderdienst froh waren, wenn sie drei oder vier Bibelstudien pro Woche hatten. Aber selbst im englischsprachigen Gebiet waren ungefähr 10 Bibelstudien schon sehr schön). Diese dauerten gewöhnlich eine bis drei Stunden, oder noch länger. Daneben waren wir in der Haus-zu-Haus Tätigkeit beschäftigt, wobei wir von Tür zu Tür gingen, um „schafähnliche“ Menschen zu finden, wie wir demütige Personen nannten, die unserer Botschaft zuhörten. Darüber hinaus besuchten wir Personen, die zuvor bei Gesprächen mit uns Interesse bekundet hatten.

Dann sollte erwähnt werden, dass Jehovas Zeugen fünf Zusammenkünfte an drei Tagen der Woche haben. Gründliche Vorbereitung darauf war für uns nicht bloß ein Muss, sondern so wichtig wie Essen und Trinken. Wir taten wirklich unser Bestes, der Anregung der Wachtturm-Gesellschaft Folge zu leisten, uns für alle Zusammenkünfte vorzubereiten und die Bibel und unsere Literatur regelmäßig zu studieren, um geistig gesund bleiben. Wir wollten geistig wirklich wachsen.

Nach drei Jahren im Sonderpionierdienst hatte ich solche Gesundheitsprobleme, dass wir daran dachten aufzuhören. Personen, mit denen ich Bibelstudien durchführte, hatten gewöhnlich nach dem dritten Besuch ein Kissen für mich bereit, weil sie schnell herausfanden, dass ich sehr starke Rückenschmerzen hatte. Mit denjenigen, die mich schon eine Zeitlang kannten, führte ich meist halb liegend das Bibelstudium durch. Selbst ein Aufenthalt im Krankenhaus trug nicht dazu bei herauszufinden, warum ich solche Schmerzen im Unterleib und Rücken hatte. Nach vielen erfolglosen Untersuchungen lehnten die Ärzte es schließlich ab, mich zu operieren, weil ich als Zeugin Jehovas keine Bluttransfusion akzeptiert hätte, wäre dies nach ihrer Meinung notwendig geworden. Es war sehr frustrierend für mich, dass sie diese Entscheidung erst trafen, nachdem ich bereits eine Woche im Krankenhaus gelegen hatte, weil ich diese Forderung von dem Moment an betont hatte, als ich ins Krankenhaus kam. Ich war sehr verzweifelt wegen meiner Situation. Oft weinte ich wegen der ununterbrochenen Schmerzen. Mein Mann massierte mich mehrmals am Tage. Dies gab mir etwas Erleichterung, aber Markus war allmählich so unglücklich über meinen Zustand, dass er mich schließlich nach etwa einem Jahr, Ende Juli 1977, davon überzeugte, dass wir aufhören müssten.

Es traf uns wirklich sehr. Es war einfach so, dass wir diesen Dienst liebten und ihn nicht aufgeben wollten. Auch wollte ich nicht, dass mein Mann wieder eine weltliche Arbeit annehmen müsste, so kurz vor dem Ende der Welt. Würde aber nur ich aufhören, dann würde das Geld, das Markus bekommen würde, einfach nicht für unseren Lebensunterhalt reichen. Den Pionierdienst zu verlassen bedeutete auch, ein besonderes Vorrecht aufzugeben. Es war damals nicht sehr witzig, als die Frau des Ehepaares, das 1971 mit uns unser Bibelstudium angefangen hatten, zu mir sagte: „So, dann bist Du ja jetzt auch nur noch ein Verkündiger?!“ (Damit ist ein Zeuge gemeint, der nicht im Vollzeitpredigtdienst ist.) Ich war wirklich verletzt, vor allem deshalb, weil ich noch nicht einmal mit dem Pionierdienst aufgehört hatte. Diese und ähnliche Reaktionen auf unsere Entscheidung kränkten uns zwar, aber da wir diesen Dienst nie getan hatten, um Brüdern zu gefallen, sondern für Jehova und für Menschen, versuchten wir, es nicht so ernst zu nehmen.

Im September begann mein Mann seine neue Arbeit als Marketingberater. Es gab über 200 Bewerber dafür, und schließlich nahm die Firma einen Mann, der in Marketing promoviert hatte, und meinen Mann, der nie zuvor diese Art Arbeit getan hatte. Da mein Mann wegen seiner vierjährigen Missionarstätigkeit nicht im Berufsleben gestanden hatte, war die Firma sehr vorsichtig, bevor sie ihm nach einigen Wochen der Prüfung die Chance gab. Wir waren außerordentlich glücklich, weil dies die einzige positive Resonanz auf Markus viele Bewerbungen gewesen war, die er geschrieben und verschickt hatte. Wir wussten definitiv, dass Gott uns wieder geholfen hatte. Allerdings hatten wir gehofft, dass Markus früher Arbeit finden würde. Da dies aber nicht der Fall war, hatten wir im August keine finanziellen Einkünfte. Aber wieder war Jehova unser Helfer.

Ich erinnere mich noch daran, wie wir z.B. eines Tages, als wir kein Brot für den Abend mehr übrig hatten, zu Jehova beteten im Vertrauen darauf, dass Er Sein Versprechen halten würde, uns unser tägliches Brot zu geben. Und in der Tat, als wir am Abend zu einer unserer Zusammenkünfte gingen, reichte uns eine Schwester, die uns nie etwas gegeben hatte, einen Laib Brot. Ein Familienmitglied hatte ohne ihr Wissen Brot gekauft, und sie selbst ebenfalls. Deshalb wollte sie uns eines der Brote geben. Man kann sich sicherlich vorstellen, wie überrascht und voller Wertschätzung wir waren, besonders da die Schwester uns nie zuvor etwas gegeben hatte und dies auch später nie mehr tat.

Und wir zogen wieder um. Wir waren bereits zwei Jahre, nachdem wir den Sonderdienst begonnen hatten, umgezogen, weil wir eine Wohnung mit einem zusätzlichen Raum für dasselbe Geld bekommen konnten. Dies half uns sehr, da ich meine Schreib- und Übersetzungsarbeiten zu Hause machen musste. Wenn jemand uns mit einem Besuch überraschte, war dies recht unangenehm, wenn meine russischen Wörterbücher auf dem Tisch ausgebreitet waren. Niemand, nicht einmal die Brüder und Schwestern in der Versammlung sollten wissen, welche Art Arbeit ich für die Wachtturm-Gesellschaft machte. Auch spielten während des Tages jede Menge Kinder unter unserem Fenster, was meine Konzentration nicht gerade förderte. So freuten wir uns über die neue Wohnung, obwohl wir kein eigenes Bad und auch keine Toilette nur für uns hatten. Um die Wohnung im Winter warm zu bekommen, mussten wir mit Holz und Kohle heizen. Viele Male, wenn wir von den Bibelstudien oder Zusammenkünften nach Hause kamen, war das Feuer aus. Nachdem wir den Pionierdienst verlassen hatten, und mein Mann einen gut bezahlten Job hatte, war die Notwendigkeit nicht länger gegeben, in dieser Wohnung zu bleiben.

Meinem Mann gefiel seine Arbeit, aber nach einer Weile hatte er das Gefühl, geistig etwas zu vermissen, während ich mich körperlich erholte und genoss, was Jehovas Zeugen ein „geistiges Paradies“ nennen. In den nächsten zwei Jahren, von August 1977 bis Juli 1979, war ich in der Lage, 60 Stunden im Monat im „Hilfspionierdienst“ zu verbringen. Die Mehrheit der Zeugen Jehovas machen wenigstens einmal in ihrem Leben diese Art von Pionierdienst. Viele tun dies regelmäßig. Als ich damit anfing, brauchte ich all meine Kraft dazu, aber nachdem ich mich erholt hatte, begann ich zu spüren, dass ich mehr tun wollte. Etwas schien in meinem Leben zu fehlen. Ich hatte den Eindruck, dass es damit zusammenhing, dass wir den Vollzeitpionierdienst nicht mehr zusammen durchführen konnten. So fragte ich meinen Mann nach zwei Jahren im „Hilfspionierdienst“ ganz vorsichtig, ob ich in den „Allgemeinen Pionierdienst“ zurückkehren könnte. Nur zögernd stimmte er zu, denn er glaubte, dass meine Gesundheit noch nicht stabil genug sei. Nachdem ich aber in den ersten zwei Monaten jeweils mehr als 100 Stunden geschafft hatte, also mehr als das Stundenerfordernis für „Allgemeine Pioniere“, nahm auch Markus den Pionierdienst auf.

Das war im Oktober 1979. Natürlich brauchte mein Mann wieder einen Halbtagsjob, um für unseren Lebensunterhalt zu sorgen. Er hatte gehofft, dass die Firma, in der er als Marketingberater tätig war, ihn halbtags behalten würde. Aber sie meinten, dass er zu teuer sei für die wenigen Teilzeitarbeiten, für die er ihrer Meinung nach der geeignete Mann gewesen wäre. Sie konnten einfach nicht begreifen, dass er willens war, jede Art Arbeit zu tun, selbst wenn es für wesentlich weniger Geld gewesen wäre, so lange es eine Teilzeitarbeit war. Sein Chef und seine Arbeitskollegen waren völlig davon überzeugt, dass Markus die Firma auf keinen Fall verlassen würde, da er einen Superjob hatte und auch sehr erfolgreich war. Sie waren wirklich schockiert, als Markus schließlich doch ging. Ich erinnere mich daran, dass es für meinen Mann außergewöhnlich schwer war, weil er seine Arbeit und die damit verbundenen Herausforderungen wirklich lieben gelernt hatte. Er hatte außerdem sein eigenes Büro, einen Firmenwagen und verdiente gutes Geld. Oft konnte er seine Zeit auch einteilen, wie es ihm passte.

Erst sehr kurze Zeit, bevor mein Mann die Marketinggesellschaft verließ, fand er andere Arbeit. Daher gab es wiederum eine längere Zeitspanne der Ungewissheit, während deren wir unser Vertrauen auf die Hilfe Gottes demonstrieren mussten. Wir glaubten, dass sich unser Vertrauen auf Ihn gelohnt hatte, als ein prominenter Zahnarzt auf eine Anzeige meines Mannes reagierte. Er hatte Patienten aus der ganzen Welt und 28 Personen arbeiteten für ihn in seinem eigenen Labor und in der Praxis. Er bot Markus die Tätigkeit eines Managers an und bezahlte Markus, was er verlangte. Es entsprach genau der Hälfte von dem, was er für seine Ganztagsarbeit bekommen hatte. Wir dachten, dass dies eine Belohnung Gottes sei, weil er den guten Job aufgegeben hatte, um Ihm besser dienen zu können.

Da wir, bevor Markus diese Arbeit fand, sicher waren, dass wir uns die hohe Miete, die wir zu der Zeit bezahlen mussten, nicht mehr würden leisten können, und wir nicht im voraus wussten, wie viel Geld Markus schließlich verdienen würde, hatten wir uns auch nach einer anderen Wohnung umgesehen. Wirklich, jedes Mal, wenn wir umzogen, glaubten wir ernstlich, dass dies der letzte Umzug vor Harmagedon sei.

Diesen Umzug werde ich niemals vergessen. Es sah so aus, als ob wir einfach keine preiswerte Wohnung finden könnten. Schließlich dämmerte mir, warum: Markus und ich hatten es uns immer zur Aufgabe gemacht, unseren Bibelstudien zu helfen, die Notwendigkeit vollständigen Vertrauens auf Jehova zu verstehen. Zu der Zeit führte ich gerade ein Bibelstudium mit einer Frau durch, die viele Probleme hatte. Um sie zu ermutigen, betonte ich, dass Gott niemanden, der sein Vertrauen auf Ihn setzt, im Stich lässt, selbst wenn es lange dauern mag, bis Er hilft. Und ich fügte hinzu: „Schauen Sie sich nur die Situation an, in der mein Mann und ich sind: wir suchen jetzt schon eine ganze Weile eine Wohnung und haben noch keine gefunden. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit Jehovas Hilfe eine finden werden, und wenn es am letzten Tag vor unserem Umzug sein sollte.“ Gott stellte mich auf die Probe, denke ich, denn genau an dem Tag, als die Möbelpacker kamen, um all unsere Sachen aufzuladen, fanden wir die neue Wohnung.

Nachdem auch dieses Problem gelöst war, hatten wir wirklich Freude im Pionierdienst, aber irgendwie schien es mich nicht so glücklich zu machen, wie ich es gehofft hatte. Irgendetwas fehlte immer noch. Mein Mann hatte dieses Problem nicht. Dafür aber begann er, Probleme mit seinem Chef, dem Zahnarzt, zu bekommen. Nachdem Markus einige Monate als sein Manager gearbeitet hatte, zeigte der Zahnarzt seine wahre Persönlichkeit. Da alles so gut lief nach vielen Jahren des Mismanagements (Herunterwirtschaftens) durch den Zahnarzt und jeder der Angestellten, wenn er Rat oder Hilfe brauchte, zu Markus kam, wurde der Zahnarzt eifersüchtig auf Markus und unfair ihm gegenüber. Es wurde so unerträglich, dass Markus beschloss, die Stelle zu kündigen.

Aber, kaum zu glauben, nur einen Tag, bevor mein Mann arbeitslos gewesen wäre, erfuhr sein früherer Chef von der MarketingGesellschaft von seiner Situation und bot ihm eine Halbtagsstelle als Ausbilder für die Marketingberater der Firma an. Er war so glücklich, meinen Mann zurückzubekommen. Dies war ein halbes Jahr, nachdem mein Mann die Firma verlassen hatte. Wir waren davon überzeugt, dass Satan es vor Jehova zu einem Punkt gemacht hatte, Markus zu testen, ob er solch einen Job, wie er ihn bei der Marketing-Gesellschaft gehabt hatte, wirklich aufgeben würde. Aber wir wussten auch, dass Gott wieder Seine schützende Hand über uns gehalten hatte, denn wie sich herausstellte, hatte Markus jede erdenkliche Freiheit, sich die Arbeit und auch die Arbeitszeit so einzuteilen, wie es ihm richtig erschien, um auch seine geistigen Interessen verfolgen zu können.

Dann kam ein Ehepaar, das neun Jahre lang als Missionare in Chile gewesen war, in unsere Versammlung. Irgendetwas an ihnen war es, was mich schließlich darauf brachte zu erkennen, was mein Problem zu sein schien: mein Pionierdienst war zur Routine geworden, es schien, als ob „die Luft raus“ wäre. Andererseits aber liebte ich diese Arbeit, auch die Menschen liebte ich immer noch. Was also war das Problem? Dieses Ehepaar war im „Sonderdienst“, und eines Tages dämmerte mir: „Wirklich, Edel, was dir fehlt, ist der Sonderdienst, dich zusammen mit Markus nur auf geistige Dinge konzentrieren zu können!“ Das war eine Offenbarung für mich, aber ich teilte sie nicht mit meinem Mann, sondern nur mit Jehova. Es war einfach so, dass ich befürchtete, Markus würde es rundheraus ablehnen. So beschloss ich zu warten und Jehova die Gelegenheit zu geben, auf Markus einzuwirken. Übrigens hatte ich selbst auch Angst, eine Entscheidung zu treffen, denn wer konnte garantieren, dass meine Gesundheit mitmachen würde? Ich konnte es nicht, und daher sagte ich zu Jehova: „Wenn Du möchtest, dass ich wieder Sonderpionier werde, dann wirst DU das auch in die Hand nehmen.“ Es fiel mir sehr schwer, dies zu sagen, denn der Sonderdienst war das, was ich, was mein Herz, wirklich wollte. Gott zu bitten, die Dinge in Seine Hand zu nehmen, bedeutete, dass ich warten musste, und warten war nie meine Stärke.

Ende 1980 wurde das Sonderpionierehepaar nach Fulda geschickt, um dort eine neue Versammlung zu gründen. Irgendwie dachten wir, dass Jehova uns ebenfalls lenkte, und wir begannen uns nach einer Versammlung umzusehen, wo „Verkündiger“ oder „Pioniere“ mehr gebraucht wurden, als in der Versammlung, in der wir zu der Zeit waren. Wir orientierten uns in allen Versammlungen im Umkreis, die mit dem Auto gut vom neuen Arbeitsplatz meines Mannes aus erreichbar waren. Denn er wollte nicht schon wieder eine neue Stelle suchen. Schließlich schrieben wir an die Wachtturm Gesellschaft, die uns an die Versammlung verwies, die ihre Zusammenkünfte in der Gegend von Hanau hatte. Dies bedeutete, dass wir wieder umziehen mussten! Damit begann ein neuer Lebensabschnitt. Das war 1981.

Da es schier unmöglich schien, in diesem Gebiet eine Wohnung zu finden, kauften wir schließlich nach vielen Überlegungen und Überwinden der üblichen Hindernisse ein einfaches, kleines Haus. Mein Mann hielt es für weiser, unser eigenes Heim abzuzahlen, als eine horrend hohe Miete für eine Wohnung in dieser Gegend zu bezahlen, wenn wir überhaupt eine in absehbarer Zeit finden würden. Markus war damals so überzeugt davon, dass der „Allgemeine Pionierdienst“ meine Grenze war und dass dies definitiv unser letztes Zuhause vor Harmagedon sein würde, und er meinte, wir könnten in einem eigenen Heim „ein geregeltes Leben“ anfangen. Dies war uns als Sonderpioniere nicht möglich gewesen, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil ein Sonderpionier bereit sein muss, und es auch von ihm erwartet wird, dass er dorthin geht, wohin er von der Wachtturm-Gesellschaft geschickt wird. Ich erzählte Markus immer noch nicht, dass ich fortgesetzt zu Jehova darum betete, zusammen mit ihm wieder in den Sonderpionierdienst gehen zu können.

Es wäre zu viel, auf alle Details einzugehen, dennoch konnten wir selbst bei diesem Umzug die Hand Gottes sehen. Alles klappte in der Tat vorzüglich! Wir hatten sehr wenig Renovierungsarbeiten, einige Brüder halfen uns beim Umzug, und alles verlief wirklich reibungslos. Allerdings hatten wir, nachdem wir in das neue Haus eingezogen waren, kaum Zeit, es zu genießen, denn wir waren sehr, sehr beschäftigt in unserem Predigtdienst. „Theokratische“ Dinge, d.h. Dinge die Gott und Sein Königreich betrafen, die Brüder und die Predigttätigkeit kamen immer an erster Stelle.

Diese Zeit als „Allgemeine Pioniere“ erwies sich als die bisher härteste Zeit in unserem Leben als Zeugen Jehovas. Die Versammlung, der wir uns anschlossen, war für eine Teilung reif, da die Brüder zu große Strecken zurücklegen mussten, um die Zusammenkünfte besuchen zu können. Aber einige der Ältesten in der Versammlung waren nicht in der Lage und einige nicht wirklich bereit, die Verantwortung und die Extraarbeit auf sich zu nehmen, die mit solch einer Teilung einher gingen. Da mein Mann bereit war, praktisch alles, was Arbeit, Zeiteinsatz und Verantwortung bedeutete, auf sich zu nehmen, und ein anderer Ältester willens war, die anderen zwei „Dienstämter“ zu übernehmen, wurde die Versammlung geteilt. Wieder waren wir damit beschäftigt, eine neue Versammlung zu gründen. Am Ende war sie als eine sehr schöne Versammlung mit einem frohen Geist bekannt, wie wir dies auch mit der vorhergehenden Versammlung erlebt hatten, an deren Gründung und Aufbau wir „das Vorrecht hatten“ mitzuhelfen.

Aber die persönlichen Opfer waren sehr groß. Mein Mann verbrachte gewöhnlich ungefähr sechs Stunden am Tag in seinem weltlichen Beruf und ungefähr vier bis fünf Stunden im Pionierdienst. Dann gab es Probleme, die Brüder und Schwestern oder „Interessierte“ betrafen, zusätzlich zur Vorbereitung auf die Zusammenkünfte, die Ausarbeitung von „öffentlichen Ansprachen“ und Ansprachen für große oder kleine Kongresse. Während dieser Zeit war ich selbst ziemlich beschäftigt mit dem Übersetzen aus dem Englischen ins Russische und umgekehrt. Tief im Herzen beneidete ich meinen Mann, weil er seine Zeit damit verbringen konnte, mit den Menschen über die Bibel zu sprechen, während ich zu Hause am Schreibtisch arbeitete. Da Gottes Organisation es aber für das Beste hielt, dass ich diese Arbeit tat, akzeptierte ich es.

Irgendwie betrachtete ich es auch als Segen, weil ich meinen Rücken nicht so sehr strapazieren musste, um die schwere Tasche im Dienst zu tragen, die mit meiner Bibel und unserer Literatur gefüllt war. Ich war damals aber auch oft niedergeschlagen, weil ich meiner Meinung nach nicht die nötige Unterstützung für die Schreibtischarbeit, die ich tat, erhielt. Diejenigen Brüder und Schwestern, die diese oder eine ähnliche Arbeit im Bethel, also in der Zentrale selbst, durchführten, wussten nicht, wie sehr ich mit dem Vokabular der Zeugen Jehovas zu kämpfen hatte. Sie hatten viel besseres Arbeitsmaterial und bessere Möglichkeiten bei der Übersetzung der Wörter, die meist natürlich in keinem Wörterbuch zu finden waren. Andere Brüder, die von den Schwierigkeiten wussten, denen ich mich oft gegenüber sah, und die etwas hätten veranlassen können, um mir zu helfen, taten dies aus irgendwelchen Gründen nicht. Obwohl ich manchmal recht frustriert war, entschuldigte ich die Brüder damit, dass sie wahrscheinlich einfach nur sehr im Werke Jehovas beschäftigt waren.

Da mein Mann wenig Zeit für mich frei hatte, litt natürlich unsere Ehe. Aber ich wollte Gott „ganzherzig“ dienen und war daher bereit, „selbst aufopfernd“ zu sein. Das größte Problem war, dass ich mit niemandem über meine Probleme sprechen konnte. Mein Mann war ein „Ältester“ der Versammlung, und eigene Probleme hätten nie Gegenstand eines Gesprächs sein können. Außerdem ist ein Pionier ohnehin gehalten, seine Probleme nicht zu verbreiten. Manchmal hatte ich das Gefühl zu platzen, weil ich mit der Situation nicht mehr fertig wurde. Aber wieder wurde Jehova die Quelle meiner Hilfe. Als ich mit sehr viel Gebet begann, mich von den Problemen weg zu orientieren, wurde die Situation besser.

Zu dieser Zeit hatte es auch den Anschein, dass die Brüder und Schwestern sich nicht gut genug auf die Zusammenkünfte vorbereiteten, und ich nicht genügend daraus ziehen konnte, um geistig zufrieden gestellt zu sein. Aber ich ging davon aus, dass es wohl an mir liegen müsste und beschloss, mich stärker auf das wöchentliche Bibelleseprogramm zu konzentrieren. Dann geschah etwas, dass unser Leben erneut veränderte. Kaum vorstellbar war meine Überraschung, als mich Markus eines Tages beim Sommerkongress 1983 während einer Ansprache mit dem Thema „Are you building your future with God’s organization or Satan’s?“ [etwa: Baust Du Deine Zukunft mit Jehovas Organisation oder mit Satans?] fragte: „Edel was hältst Du davon, wieder in den Sonderdienst zu gehen?“ Worte können die Gefühle nicht beschreiben, die ich damals hatte. Meinem Mann erzählte ich erst jetzt, dass Gott nach zwei Jahren endlich mein Gebet beantwortet hatte. Ich war so glücklich!

In nur zwei Monaten konnten wir unser Haus ohne eine Anzeige in der Zeitung aufzugeben verkaufen. Auch bekamen wir nach Abzug der Bankkredite Geld genug dafür, um den Umzug in eine kleinere Wohnung finanzieren zu können und ein nagelneues Auto zu kaufen, denn mein Mann musste ja den Firmenwagen zurückgeben, als er die Arbeit aufgab. Ein gutes Fahrzeug ist wirklich lebensnotwendig bei der Art Tätigkeit, wie Pioniere sie durchführen. Für uns war unser Endziel vor Harmagedon erreicht: zurück im Vollzeitdienst, ohne unsere Interessen wegen der weltlichen Arbeit teilen zu müssen. Mein Traum war wahr geworden, und ich war davon überzeugt, dass wir schließlich wieder genauso glücklich sein würden, wie in den Jahren von 1974 bis 1977, als wir das erste Mal Sonderpioniere gewesen waren.

Da uns die Wachtturm-Gesellschaft davon unterrichtet hatte, dass unsere monatliche „Zuwendung“ abzüglich der Krankenversicherung für Markus und mich zusammen DM 712,- ausmachen würde, und wir alle Kosten zusammen gerechnet hatten, wussten wir, dass wir für die Miete nicht mehr als DM 150,- oder DM 160,- würden aufbringen können. Ich erinnere mich noch gut daran, wie uns die Brüder in der Versammlung „ermunterten“, bei der Suche nach einer Einzimmerwohnung realistisch zu sein. Sie waren der – menschlich gesprochen, verständlichen Ansicht, dass wir für diese Summe keine Wohnung finden würden, jedenfalls nicht in der Gegend und auch nicht innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne, dazu ohne Beziehungen und ohne finanzielle Unterstützung von anderen. Aber, wie immer, rechneten wir mit Jehova, sparten natürlich auch weder Zeit noch Mühe, eine preiswerte Wohnung zu finden und gaben zwei Monate lang jede Woche Annoncen in verschiedenen Zeitungen auf.

Schließlich bot uns eine ältere Dame eine Wohnung für DM 160,- an, die sogar zwei Räume hatte. Wir waren für den zweiten Raum besonders dankbar, da wir in einem Haus mit sieben Zimmern gewohnt hatten, wenn sie auch klein gewesen waren. Das Apartment hatte eine große Küche, ein winziges „Badezimmer“ von höchstens 2m2 mit Toilette und einem kleinen Waschbecken, aber keine Badewanne, und Dachschräge hatte es auch noch. Aber das alles störte uns nicht. Die Wohnung lag in einer Gegend, die für unsere Zwecke optimal war. Sie war leer und musste lediglich renoviert werden. Eine ältere Dame hatte darin gewohnt, bis sie in ein Altersheim umzog. Die Vermieterin war sehr nett und glücklich über uns und wir über sie. Sie akzeptierte unsere Situation, auch dass wir Jehovas Zeugen waren. Wir lobten Jehova für Seine Hilfe, und die ganze Angelegenheit wurde ein gutes Zeugnis für alle, die davon zu hören Gelegenheit hatten.

Nachdem wieder einmal alle unsere Umzugsprobleme gelöst waren, begannen wir mit unserer neuen Zuteilung am 1. März 1984. Wir waren froh, dass die Gesellschaft uns schließlich gewährte, in derselben Versammlung bleiben zu können. Während des nächsten Jahres waren wir glücklich, von Gott gebraucht zu werden, um einigen Menschen zu helfen, Jehovas Zeugen zu werden.

Einmal im Jahr gedenken Jehovas Zeugen des Todes des Herrn Jesus. Diese Feier wird „Gedächtnismahl“ genannt. Ich erinnere mich, dass in jenem Jahr beim Gedächtnismahl allein 16 „Interessierte“ von uns anwesend waren. Gewöhnlich waren die Brüder glücklich, wenn sie nur eine einzige Person dazu motivieren konnten, sie zu dieser Feier zu begleiten. Daher empfanden wir es als besonderen Segen Jehovas. Es war so aufregend, dass ich sogar vergaß, eine weitere interessierte Frau zu der Feier abzuholen, und ich fühlte mich wirklich fürchterlich, als mir dies auffiel, nachdem die Zusammenkunft vorüber war. So waren die Monate damals sehr erfüllt und erfrischend!

Dann vergrößerte die Wachtturm-Gesellschaft wieder mein Arbeitspensum, sodass ich ungefähr sieben bis acht Stunden am Tage mit Übersetzen und Schreibarbeit beschäftigt war. Dies war zusätzlich zu der Arbeit, die eine Hausfrau üblicherweise zu tun hat, dazu die Vorbereitung für die Zusammenkünfte, Bibelstudien mit anderen, persönliches Bibellesen und Nachforschungsarbeit. Ich liebte die Arbeit zu Hause, denn ich wusste, dass sie den Brüdern und Schwestern und auch interessierten Personen dazu verhelfen würde, unsere Literatur in ihrer eigenen Sprache lesen zu können. Dennoch bevorzugte ich es, mit Menschen über die Bibel zu sprechen. Aber ich betrachtete es als großen Segen von Jehova, als die Wachtturm-Gesellschaft auch meinem Mann Arbeit gab, die zu Hause, also am Schreibtisch, zu tun war. Es machte mir Freude, mit meinem Mann zusammen zu arbeiten und nicht mehr die ganze Zeit alleine zu sein. Während dieser Zeit erhielten wir auch eine Ausbildung in der Zentrale, die nun in Selters war, um zu lernen, den Computer für unsere Arbeit zu gebrauchen. Das war eine interessante Abwechslung in der täglichen „Routine“.

Ein großer Teil der Arbeit meines Mannes waren Übersetzungen für die „Leitende Körperschaft“ des New Yorker Bethels. Die „Leitende Körperschaft“ bestand damals aus 15 Brüdern der bereits erwähnten Klasse des „treuen und verständigen Sklaven“, die, wie Jehovas Zeugen glauben, für das himmlische Leben auserwählt sind. Die „Leitende Körperschaft“ leitet das gesamte Werk und die Organisation der Zeugen Jehovas weltweit. Mit der einzigen Organisation Gottes auf Erden heute zusammen arbeiten zu können, gilt als großes Vorrecht. Daher setzten wir alles daran, unsere Arbeit so gut wie möglich zu machen. Das war manchmal sehr schwierig, besonders wenn wir spezifische Wörter nicht in den Wörterbüchern fanden, die uns zur Verfügung standen. Wir betrachteten es immer als eine Belohnung, wenn uns eine sehr schwierige Übersetzung gelungen war. An dieser Stelle möchte ich gerne ein anderes Vorrecht erwähnen, das uns gewährt wurde. Bereits 1973, als ich mit meiner Maschinenschreibarbeit für die Wachtturm-Gesellschaft begonnen hatte, sagte der Bruder vom Bethel, der mich in diese Arbeit eingeführt hatte, dass wir, sobald ich einige Übung in der russischen Sprache hätte, mit einer besonderen Aufgabe in die Sowjetunion geschickt würden. Obwohl wir zunächst wirklich begeistert waren, dachten wir nicht mehr weiter daran, nachdem wir unsere Bewerbung für den Missionardienst ausgefüllt hatten.

So kann man sich unsere Überraschung vorstellen, als derselbe Bethelbruder uns besuchen kam, kurz nachdem wir unseren Sonderdienst im englischen Gebiet in Vorbereitung auf den Missionardienst begonnen hatten. Er schlug uns vor, unsere Bewerbung für die Missionarschule zurückzuziehen. Da der Bruder die Sache etwas geheimnisvoll handhabte, begriffen wir erst allmählich, dass hinter

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seinem Vorschlag der Wunsch der Wachtturm-Gesellschaft stand, dass wir hier in Deutschland bleiben sollten. Wir sollten dazu eingesetzt werden, Literatur von Zeugen Jehovas in die Sowjetunion zu bringen, in dem ihr Werk verboten war. Man sagte uns, dass dies ein großes Vorrecht sei, da nur sehr wenige Zeugen in der Lage seien, dort hingehen zu können. Wir gingen auf den Vorschlag ein und zogen unsere Bewerbung für die Gileadschule zurück. Wir waren ziemlich traurig, aber wenn dies die Arbeit war, die Jehova von uns getan haben wollte, würden wir nicht dagegen murren, sondern sie freudig tun. Dies war allerdings das Ende unserer Hoffnungen, in den Missionardienst zu kommen. Später war ich in Anbetracht meines schlechten Gesundheitszustands froh über diese Entscheidung.

In der Zeit von 1974 bis 1988 reisten wir siebenmal in die Sowjetunion. Gewöhnlich blieben wir fünf bis acht Tage. In der Zeit mussten wir einen bestimmten Bruder treffen, um ihm das Material zu übergeben, das wir aus Deutschland mitgebracht hatten. Er, seinerseits, gab uns gewöhnlich Material, das Informationen über die Lage der Brüder in der Sowjetunion enthielt und über ihre Predigttätigkeit. Offiziell waren wir Touristen.

Wenn ich irgendwelche Gefühle der Begeisterung gehabt hatte, als wir zum ersten Mal von dieser „Reisemission“ erfuhren, so kann ich versichern, dass es in Wirklichkeit für mich größtmöglichen Stress bedeutete. Schon Monate vor unserer Reise hatte ich gewöhnlich Albträume. Wir beteten jedes Mal sehr intensiv darum, dass wir Erfolg haben würden, damit die teure Reise nicht vergeblich wäre. Wir wussten nie, ob wir nicht festgenommen oder sogar inhaftiert würden, falls man das Material, das wir bei uns hatten, finden würde. Einmal wurde mir im weltweit bekannten Moskauer Kaufhaus Gum meine Tasche, in der das Material verborgen untergebracht war, seitlich aufgeschlitzt, ohne dass wir es bemerkten. Wir waren ganz schön erschrocken: was wenn uns das Material gestohlen worden wäre;  noch größer war unsere Angst, die Beamten am Zoll könnten unserer Tasche deswegen besondere Aufmerksamkeit widmen und sie genauer untersuchen. Es war jedes Mal eine Zitterpartie.

Auch waren wir von dem erwähnten Bruder, der als Repräsentant der Gesellschaft sprach, gebeten worden, nichts mitzunehmen, was uns als Zeugen Jehovas identifizieren könnte, nicht einmal eine Bibel, um die Brüder dieses Landes, das Werk und die Organisation der Zeugen Jehovas nicht zu gefährden. Sollte man uns festnehmen, so wurde uns noch gesagt, dann wären wir auf uns selbst gestellt, weil wir dorthin nicht als offizielle Repräsentanten der Wachtturm-Gesellschaft geschickt würden. Es war wahrhaftig ein „stressiges“ Vorrecht. Mein Trost und meine Unterstützung während dieser Zeiten waren Jehova und mein Mann. Aber je älter ich wurde, desto mehr wuchs meine Nervosität, obwohl ich willens war zu tun, worum mich Gottes Organisation bat. Außerdem geschah es ja für Jehova, für die Menschen und für die Brüder und Schwestern.

Niemand außer einer Handvoll Brüder im Bethel wusste etwas über unsere „Reisemission“, keiner in unserer Versammlung, auch unsere Verwandten nicht. Jedes Mal wenn wir fuhren, befürchteten wir, jemand könne herausfinden, was vor sich ging. Wir machten uns auch Gedanken darüber, was wäre, wenn uns jemand brauchen würde, während wir weg waren. Meinem Vater ging es gesundheitlich nicht gut, er hatte sehr große Herzprobleme. Markus‘ Großmutter war sehr alt (1989 wurde sie 90). Brüder aus der Versammlung oder Interessierte hätten uns suchen können. So bestand immer die Gefahr, dass sich jemand fragen würde, wo wir waren, besonders da wir immer recht plötzlich verschwanden. Ein Bruder aus unserer Versammlung arbeitete am Flughafen, wo wir gewöhnlich abreisten, und wir hatten immer eine Geschichte für ihn parat, falls wir auf ihn treffen sollten.

Während wir weg waren, hatten wir praktisch keine Möglichkeit zu erfahren, was in Deutschland oder sonst wo in der Welt geschah. Die schlimmste Situation, an die ich mich in diesem Zusammenhang erinnere, war, als Amerikaner im Iran als Geiseln genommen worden waren. Als wir zurückkehrten, hatten wir nicht die leiseste Ahnung von diesem Welt erschütternden Ereignis. Glücklicherweise kam uns der Bruder zu Hilfe, der uns vom Flughafen abholte und der wusste, wo wir gewesen waren. Wir waren äußerst erleichtert.

Ein anderes Problem war das Wetter: wenn es dort gut war und schlecht in Deutschland, mussten wir eine Erklärung dafür finden, wenn wir mit Sonnenbräune zurückkamen, was manchmal unvermeidbar war, denn wir mussten viel zu Fuß gehen. Obwohl es natürlich viele Risiken gab, schien mir eines immer das Schlimmste zu sein, eines, wovor ich oft Angst hatte. Der Bruder, mit dem ich mich traf, war ein älterer Mann. Was, wenn diesem Bruder etwas zustoßen würde, und die Zentrale in Deutschland nicht rechtzeitig davon unterrichtet worden wäre, während ich versuchen würde, mit ihm in Kontakt zu treten?! Und tatsächlich, meine Befürchtungen wurden Wirklichkeit und natürlich zu einem Zeitpunkt, als ich es am wenigsten erwartete. Ich versuchte, mit dem Bruder telefonisch in Verbindung zu treten und mir wurde gesagt, dass er weggegangen sei. So zumindest hatte ich die Frau, die am Telefon war, verstanden. Sie benutzte jedoch ein besonderes Wort um darauf hinzuweisen, dass er gestorben war. Nervös versuchte ich noch zweimal, ihn zu erreichen, bis ich es begriff. Ich gab vor, nicht so gut zu hören wegen der Verbindung und legte den Hörer auf. Ich war völlig fertig. Mein einziger Trost war in dem Moment, dass die Menschen dort an schlechte Telefonverbindungen gewöhnt waren. Ich war auch die nächsten paar Tage nervös, weil ich immer darauf gefasst war, dass man kommen könnte, um uns abzuholen oder zumindest zur Rede zu stellen. Die Frau schien misstrauisch geworden zu sein. Doch glücklicherweise geschah nichts.

Nach unserer letzten Reise 1988 waren meine Gesundheit und meine Nerven so schlecht, dass ich meinem Mann sagte, dass ich nicht zustimmen würde, noch einmal zu reisen, wenn die Gesellschaft mich wieder fragen würde. Aber dazu kam es nicht. Bevor ich erzähle warum, möchte ich zu dem Zeitpunkt zurückkehren, als wir Anfang März 1984 zum zweiten Mal mit unserem Sonderdienst begannen.

Es war ein wunderbares Gefühl, sich am 21. April 1984 unter den zur Einweihung des neuen Bethelheims in Selters Geladenen zu befinden. Dies war ein großes Vorrecht für uns, da wir unsere neue Sonderdienstzuteilung gerade erst begonnen hatten. Die Zentrale der Zeugen Jehovas in Deutschland war nun von Wiesbaden nach Selters im Taunus verlegt worden. Für uns war dies ein Zeichen des Wachstums des Volkes Jehovas und Seines Segens auf ihm.

Bereits während der Zeit, als das neue Bethel im Bau war, hatten wir das Wachstum der Versammlungen in der Nähe von Selters erlebt. Die Brüder und Schwestern, die als freiwillige Arbeiter eingeladen waren, mussten natürlich Zusammenkünfte besuchen können. Daher teilte die Wachtturm-Gesellschaft eine beträchtliche Anzahl von willigen Brüdern und Schwestern englischsprachigen Versammlungen zu, die nicht zu weit von Selters entfernt waren. Selbst nach Abschluss der Bauarbeiten blieben die meisten dieser Brüder und Schwestern im Bethel und auch in den Versammlungen, denen sie zugeteilt worden waren. Einige davon waren auch in unserer Versammlung.

1985 hatte uns unser „Kreisaufseher“ – das ist ein reisender Repräsentant der Wachtturm-Gesellschaft, der im allgemeinen zweimal im Jahr die Versammlungen besucht, die einen „Kreis“ bilden, um ihnen in ihrem Dienst zu helfen und sie zu ermuntern – uns gefragt, ob wir gerne in einer Versammlung „dienen“ würden, die Unterstützung benötigt. Zu der Zeit verspürten wir keine Neigung dazu, da wir uns nach einem Jahr erneuten Sonderdienstes gerade erst auf unsere neue Zuteilung eingestellt hatten. Außerdem studierten gerade mehr als ein Dutzend Personen ernsthaft die Bibel mit uns und zogen in Betracht, Zeugen Jehovas zu werden. Angesichts des Wachstums unserer Versammlung hatten wir im Sommer 1986 dann jedoch wieder das Gefühl, anderswo besser behilflich sein zu können. Wir redeten daher mit dem Kreisaufseher über unser Anliegen, und er versprach uns erfreut, es mit den verantwortlichen Brüdern in Selters zu besprechen.

Beim nächsten Kongress sprachen wir darüber auch mit einem der „Bezirksaufseher“, das ist ein reisender Repräsentant der WachtturmGesellschaft, der für eine Anzahl von „Kreisen“ verantwortlich war. Dieser „Bezirksaufseher“ und seine Frau waren das schon erwähnte Ehepaar, das in Chile Missionare gewesen war, dann unserer Versammlung in Butzbach zugeteilt und später nach Fulda geschickt worden war, um eine neue Versammlung aufzubauen. Nachdem sie fast zwei Jahre dort waren, wurde er zum „Bezirksaufseher“ ernannt. Wir waren gute Freunde und hatten so manchen Austausch an geistiger Ermunterung. Er versprach uns herauszufinden, in welche Versammlungen die Gesellschaft zu der Zeit vorhatte, Sonderpioniere zu senden. Dann starb mein Vater im Oktober 1986. Obgleich er viele Jahre lang ernstliche Gesundheitsprobleme gehabt hatte, war sein Tod doch eine Überraschung. Mein Vater hatte unseren religiösen Ansichten zwar nie zugestimmt, aber er respektierte unseren Eifer. Einmal sagte er zu uns: „Wenn ich so glauben könnte, wie ihr, dann würde ich dasselbe tun.“ (Er meinte unseren Vollzeit-Predigtdienst.) Obwohl mein Vater als junger Mann ein „religiöser“ Mensch gewesen war, hatten seine Lebenserfahrung und der Zweite Weltkrieg dazu beigetragen, dass er eine negative Haltung gegenüber der Kirche und Gott entwickelt hatte. Vati sprach sich auch immer gegen die Heuchelei der Kirchen und ihrer Mitglieder aus, und er konnte einfach nicht damit fertig werden, dass Gott das Böse in der Welt zulässt. Nachdem Markus und ich geheiratet hatten, ging er gar nicht mehr in die Kirche.

Eines Tages fragte mein Mann meinen Vater, warum er weiter Kirchensteuer zahle, obwohl er doch mit der Kirche überhaupt nichts zu tun haben wolle. Die Folge davon war, dass mein Vater aus der Kirche austrat, und meine Mutter folgte seinem Beispiel. Wir waren wirklich glücklich darüber, dass meine Eltern nun nicht mehr zu „Babylon der Großen“ gehörten, dem „Weltreich der falschen Religion“. Gemäß unserem Glauben war es zusammen mit seinen Mitgliedern zur völligen Vernichtung in Harmagedon verurteilt.

Als mein Vater etwa ein Jahr vor seinem Tode seine persönlichen Angelegenheiten regelte, rief er mich an, um mit mir darüber zu reden, wie er sich seine Beerdigung usw. vorstellte, wenn er einmal sterben würde. Zu dem Zeitpunkt musste er darüber entscheiden, ob er sich einer dritten Operation am offenen Herzen unterziehen lassen sollte oder nicht. Da er aus der protestantischen Kirche ausgetreten war, schlug er vor, dass im Falle seines Todes ein nicht konfessionsgebundener Prediger die Beerdigungsansprache für ihn halten solle. – Es war nicht sehr lustig, das zu besprechen! – Ich machte meinem Vater den Vorschlag, Markus zu fragen, ob es ihm etwas ausmachen würde, die Beerdigungsansprache zu halten. Da Vati keine Einwände hatte, sprachen sie später darüber miteinander, als Markus zu Hause war. Mein Vater schien wirklich glücklich zu sein zu wissen, dass Markus sich darum kümmern würde, wie auch um all die anderen Verpflichtungen, die sich eines Tages ergeben würden, wenn mein Vater nicht mehr bei uns wäre.

Obwohl mein Vater betont hatte, dass seine Beerdigung keine „Show“ für Jehovas Zeugen werden solle, wurde sie ein Zeugnis für die Gemeinde. Nicht dass wir daraus eine Werbekampagne für Jehovas Zeugen machen wollten, aber wir wollten, dass die Anwesenden erfuhren, was Gottes Wort über den Zustand der Toten, die Auferstehungshoffnung usw. sagt. Wir hatten die Erfahrung gemacht, dass im Allgemeinen ziemliche Unkenntnis darüber herrscht, was die Bibel, auch hinsichtlich der eben erwähnten Themen, lehrt. Wir waren fest davon überzeugt, dass Jehova Markus die Kraft gegeben hat, diese äußerst schwierige emotionale Erfahrung durchzustehen, aber auch davon, dass Jehova wirklich „stolz auf uns“ gewesen sein muss wegen des Zeugnisses, dass wir für Seinen Namen zu geben bemüht gewesen waren.

Selbst einige Jahre später erwähnten einige, die bei der Beerdigung anwesend gewesen waren, dass sie sich nicht erinnern könnten, wann der Pastor je eine solch interessante Beerdigungsansprache gehalten hätte. Soviel wir wissen, war es auch das erste Mal, dass Lieder von Jehovas Zeugen auf einer Orgel in einer protestantischen Kirche gespielt wurden. Nach der Beerdigung hatten wir wirklich interessante Gespräche mit einigen Anwesenden. Ein Ehepaar äußerte daraufhin den Wunsch, mit Jehovas Zeugen ein „Heimbibelstudium“ zu beginnen. Obwohl Markus nicht alles sagen konnte, was er gerne gesagt hätte, er dachte an das Versprechen, das er meinem Vater gegeben hatte machten auch die Zeugen, die in nicht unbeträchtlicher Zahl erschienen waren, positive Bemerkungen über das, was er gesagt hatte. Dies war übrigens die einzige Beerdigungsansprache, die Markus in seinem Leben gehalten hat.

Mein Mann und ich hatten meinem Vater vor seinem Tode versprochen, uns um meine Mutter zu kümmern, so gut wir könnten. Da Sonderpioniere nicht einfach hinziehen können, wohin sie wollen, um dort zu dienen, hofften und beteten wir sehr darum, dass wir eine Zuteilung in der Nähe des Wohnorts meiner Mutter bekommen würden. Unser Freund, der Bezirksaufseher, unterrichtete uns davon, dass „ganz zufällig“ eine neue Versammlung in der Gegend gegründet werden sollte, wo meine Mutter wohnte. Wieder einmal konnten wir Jehova nur danken, dass wir dort auch unsere Dienstzuteilung erhielten.

Natürlich bedeutete das, dass wir wieder umziehen mussten, wovon weder wir noch unsere Vermieterin begeistert waren. Dies würde unser siebter Umzug in dreizehn Jahren werden. Wie schon vorher, war es sehr schwierig, eine preiswerte Wohnung zu finden. Im Januar 1987 zogen wir nach Schwetzingen in das Souterrain eines neu erbauten Hauses, das deutsche Zeugen Jehovas gemietet hatten. Die Wohnung war unmöbliert, wie all unsere bisherigen Wohnungen. Sie bestand aus einem einzigen, aber großen Raum von ca. 35 m2 und einem Badezimmer, was wir besonders schätzten. Der Bruder senkte für uns freundlicherweise die Miete, so dass wir im Monat einschließlich Heizung DM 320,- zu zahlen hatten. Mehr konnten Markus und ich zu der Zeit dafür nicht aufbringen, da wir im Monat zusammen nur DM 900,- erhielten, wovon wir alle Nebenkosten und Versicherung etc. bestreiten mussten. Aber die Wohnung schien genau für uns gemacht zu sein, und alles war so neu, und wir brauchten nur einzuziehen!

Zunächst gehörten wir zur Versammlung Mannheim-Englisch, deren Zusammenkünfte in Mannheim-Neckarau stattfanden. Zwei Monate später wurde sie zwecks Neugründung der Versammlung Heidelberg Englisch geteilt. Ihre Zusammenkünfte waren zu Beginn in MannheimSeckenheim. Jedoch von Dezember 1988 an trafen wir uns in Schwetzingen, wo Jehovas Zeugen einen neuen Königreichssaal gebaut hatten.

Der Verlust meines Vaters ließ meine Mutter darüber nachdenken, ob sie ihn jemals wieder sehen würde. Schuldgefühle wegen einiger Versäumnisse und Fehler in ihrem Eheleben weckten in ihr den brennenden Wunsch, ihren Mann wieder zu sehen. Dies gab uns die Gelegenheit, über die Auferstehungshoffnung „Zeugnis zu geben“. Wir erzählten ihr, dass sie Vati definitiv wieder sehen würde, weil die Bibel von einer Auferstehung der Gerechten und der Ungerechten spricht (Apostelgeschichte 24:15). Mein Vater glaubte nicht an Gott; das hatte er wenigstens immer wieder gesagt. Daher wurde meine Mutter getröstet durch die Tatsache, dass selbst Ungläubige nach ihrer Auferstehung von den Toten, der „Auferstehung der Ungerechten“, eine Gelegenheit erhalten würden, eine klare Entscheidung für oder gegen Gott zu treffen. Sie willigte ein, mit den Zeugen Jehovas ein Bibelstudium zu beginnen, was sie im Januar 1987 tat.

Meine Mutter war eine recht zuverlässige Studentin der Bibel. Sie wurde von einer Schwester aus der deutschen Versammlung in Schwetzingen unterwiesen. Diese Schwester hatte Mutti in den vergangenen 15 Jahren ab und zu besucht. Um sie für ihre Ausdauer zu belohnen, beschlossen wir daher, ihr anzubieten, das Bibelstudium durchzuführen. Aber die Schwester war manchmal mit ihrem Latein am Ende und verwies dann meine Mutter mit ihren vielen Fragen an uns. Nach einem langen Tag am Computer oder über Büchern und Wörterbüchern war dies für uns manchmal recht anstrengend. Aber wir freuten uns über den Fortschritt, den meine Mutter in ihren Studien machte. Gleichzeitig fing sie an, anderen „Zeugnis zu geben“, besonders ihrer Freundin. Ich erinnere mich an die vielen Stunden, die wir zusammen verbrachten und Bibelthemen diskutierten. Obwohl die Freundin eine sehr schlechte Gesundheit hatte, machte auch sie bald gute Fortschritte.

Es war immer wieder ziemlich aufregend für uns gewesen, neue Brüder und Schwestern kennen zu lernen und mit ihnen in einer neuen Zuteilung im Gebiet zusammen zu arbeiten. Gewöhnlich dauerte es nicht lange, so auch diesmal nicht, bis wir uns in der neuen Versammlung zu Hause fühlten. Aber die Gesellschaft hielt uns auch weiterhin sehr beschäftigt mit Schreibtischarbeit. Daher konnten wir nicht mit jedem einzelnen so vertraut werden, wie wir dies immer versucht und gerne getan hatten.

Allmählich verbrachten mein Mann und ich praktisch die ganze Zeit gemeinsam, während wir in unserer Souterrain-Wohnung unsere Schreibtischarbeit erledigten. In einem Raum fast 24 Stunden jeden Tag zusammen zu sein, war manchmal eine ziemliche Herausforderung. Es machte einige Änderungen in unserer Beziehung erforderlich, wie man sich wahrscheinlich gut vorstellen kann. Aber es erwies sich als ein guter Lernprozess, und schließlich liebten wir es so, wie es war.

Obwohl wir auf einen Raum beschränkt waren, fanden wir Gelegenheit für eine eigene Privatsphäre. Viele Male wurde unser Badezimmer zum Zufluchtsort. Es war so, dass mein Mann als Ältester der Versammlung Telefongespräche führen musste, die vertraulich waren oder so lang, dass sie mich von der Arbeit ablenkten. Einer von uns beiden „floh“ auch in das Badezimmer, wenn der andere ein Bibelstudium mit einer interessierten Person in unserer Wohnung durchführen wollte. Meine Mutter war so nett und kaufte uns nach einigen Monaten einen Walkman, wodurch alles etwas leichter wurde. Wir begannen, uns wie in einem kleinen „Bethelheim“ zu fühlen und erwarteten, dass es so weiter gehen würde, bis Harmagedon uns das erhoffte Paradies bringen würde. Wenn ich zurückdenke, glaube ich, dass es eine völlig andere und schöne Erfahrung war. Es war so etwas wie das Leben eines pensionierten und sehr beschäftigten Ehepaares.

 

 

 

Teil 2: ERSCHÜTTERT 

Ja, wir hatten wahrhaftig viel zu tun. Ich mochte nicht einmal durch Telefonanrufe gestört werden. Sie hielten mich von meiner Schreibtischarbeit ab, und ich wollte wirklich effizient arbeiten. Ich wollte ein wenig das Gefühl haben, etwas geleistet zu haben, vor allen Dingen deshalb, weil unsere Gelegenheiten, mit anderen über die Bibel zu sprechen, zu der Zeit ziemlich reduziert waren. Mein Mann hatte als Ältester viel mehr Gelegenheit als ich, mit anderen zu reden. Die Gespräche mit meiner Mutter waren aber ein gewisser Ausgleich. Auch studierten Markus und ich viel miteinander und tauschten täglich geistige Dinge aus.

Da ich es jedoch vermisste, täglich in der Predigttätigkeit gefordert zu sein, hatte ich ein wachsendes Bedürfnis nach geistigen Dingen. Während unserer Zusammenkünfte hatte ich zunehmend den Eindruck, dass sich die Brüder und Schwestern nicht gut genug auf die verschiedenen Programmpunkte vorbereitet hatten. Daher hatte ich das Gefühl, auch hinsichtlich der Qualität der geistigen Speise, die ich erhielt, zu kurz zu kommen.

Um meinen geistigen Hunger zu stillen, beschloss ich, mein persönliches Bibelstudium spezifischer und detaillierter zu gestalten. Zum Beispiel enthielt das wöchentliche Programm für eine der Zusammenkünfte, „Theokratische Predigtdienstschule“ genannt, einige Kapitel zum Bibellesen. Wann immer ich diese Kapitel der Bibel las, markierte ich mit einem Bleistift jedes Wort und jeden Gedanken, den ich nicht verstand. Ich schrieb dabei immer Schriftstellen oder Fragen auf, die zu dem, was ich gerade las, einen Bezug hatten.

Anschließend nahm ich einen Index, den „Watchtower Publications Index 1930 -1985“, für die Beantwortung meiner Fragen zu Hilfe. Dieser Index enthielt ein Themenverzeichnis in alphabetischer Reihenfolge und ein Schriftstellenverzeichnis, das nach der Reihenfolge der Bibelbücher geordnet war. Im Themenverzeichnis schaute ich immer zuerst nach dem Schlüsselwort des Themas, um das es bei meiner Frage ging. Unter dem Schlüsselwort suchte ich danach die Publikationen der Gesellschaft aus, die im Index zu diesem Thema oder der Frage aufgelistet waren. Anschließend schlug ich die dazu angeführten Seiten der Publikationen auf. Danach las ich das Material, um zu sehen, ob es irgendeinen Bezug zu dem besonderen Aspekt des Themas oder der Frage hatte, auf die ich eine Antwort suchte. Das war ziemlich viel Arbeit, da der Index die Liste der Veröffentlichungen der WachtturmGesellschaft von 1930 bis 1985 enthält. Wir hatten in unserem Bücherregal nur die Publikationen ab 1970. Für die Jahre ab 1986 benutzte ich auch die jährlichen Einzelverzeichnisse. Ich verbrachte praktisch meine ganze freie Zeit mit Bibelstudium und Nachschlagearbeit. Ich hatte das Gefühl, geistig anders nicht überleben zu können.

Obwohl mir dies etwas half, führte es nicht zu dem erhofften Resultat. Ich hatte immer noch geistigen Hunger. Wenn ich in den Publikationen etwas finden wollte, das interessant, für mich neu oder anders war, musste ich jede Woche einige Stunden Nachschlagearbeit leisten. Ich schrieb auch, wie ich dies seit Jahren getan hatte, jedes neue Verständnis oder jeden interessanten Gedanken, den ich gefunden hatte, an den Rand meiner Studierbibel.

Während meiner Nachschlagearbeit bemerkte ich, dass die WachtturmGesellschaft in ihren Publikationen identische oder ähnliche Fragen manchmal unterschiedlich beantwortete, je nachdem, in welchem Jahr die Publikationen erschienen waren. Als ich einen Ältesten darauf ansprach, meinte er, ich solle immer das übernehmen, was in der neuesten Publikation steht. Das fand ich etwas seltsam, denn ich dachte, dass die Wahrheit die Wahrheit sei und sich unmöglich ändern könne. Mir wurde der häufig zitierte Spruch entgegen gehalten, dass, wie ‚das Licht immer heller und heller‘ (Sprüche 4:18) wird, so würde auch unser Verständnis der Wahrheit immer besser. Ich war zwar nicht ganz zufrieden, beließ es aber dabei und „legte meine Fragen in die Schublade“, wie man so sagt.

Generell wurde Jehovas Zeugen abgeraten, irgendwelche anderen religiösen Publikationen als die von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebenen zu lesen. Der Standpunkt war, dass niemand ‚zum Schlamm zurückkehrt‘ (2.Petrus 2:22), nachdem er die Wahrheit gefunden hat. Die meisten Zeugen Jehovas, die ich persönlich kannte, fanden sowieso keine Zeit, irgendetwas anderes zu lesen. So ist leicht vorstellbar, dass wir im Laufe der Zeit viele Notizen und Zitate aus den Publikationen in unserer Bibel hatten. Früher oder später wurden diese Gedanken von einem Bruder oder einer Schwester während unserer Zusammenkünfte oder Kongresse zitiert. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass wir alle im Grunde ausschließlich dieselben Quellen benutzten, um auf unsere biblischen Fragen Antworten zu finden.

Schließlich kannten wir viele Zitate aus den Wachtturm Publikationen auswendig. Wir erinnerten uns meist nicht nur an die Publikationen sondern sogar an die Artikel, aus denen sie stammten. Das führte schließlich dazu, dass ich mich während der Zusammenkünfte langweilte. Aber es dauerte zehn Jahre, bis ich begriff, dass das der Hauptgrund für mein immer größer werdendes Verlangen nach geistiger Speise war.

Da mein geistiger Hunger immer mehr wuchs, beschloss ich, etwas noch Zeitaufwändigeres hinsichtlich meines persönlichen Bibelstudiums zu tun. Ich nahm mir die Schriftstellen-Verzeichnisse vor, um zu sehen, welche Publikationen für jeden Vers unseres wöchentlichen Bibelleseprogramms aufgelistet waren. Die Indices führten, sagen wir, 150 Bezugsstellen zu diesen Versen in den verschiedenen Publikationen an. Da unsere nur bis 1970 zurückreichten, waren es nicht so viele. Aber manchmal hatte ich bis zu 50 oder sogar 70 Bezugsstellen, die ich nachschlug, um interessante Punkte zu finden oder Antworten auf Fragen, die ich zu ihnen hatte. Obgleich mich dies jede Woche etwa eine bis zwei Stunden Zeit kostete, gelang es mir oft, alle Kapitel unseres Bibelleseprogramms so zu bearbeiten. Zusätzlich benötigte ich etwa zwei Stunden, um das nachgeschlagene Material zu lesen und dann interessante Notizen an den Rand meiner Bibel zu schreiben.

Obwohl das eine Menge Arbeit war, gab es mir zunächst einen neuen Auftrieb, da ich einige ermunternde und aufschlussreiche Informationen fand. Aber ich fand auch etwas, wonach ich nicht gesucht hatte, nämlich Widersprüche. Da sie zunächst geringfügig waren, störte mich das aber nicht allzu sehr. Als ich dann immer mehr fand, begann ich, meinen Mann deswegen zu fragen. Er wiederum wandte sich an einige reife Brüder außerhalb unserer Versammlung. Da einige dieser Brüder namhafte Repräsentanten der Wachtturm-Gesellschaft waren, erwarteten wir, dass sie uns helfen könnten. Aber zu unserer Überraschung konnten sie es entweder nicht, oder sie wollten es aus uns unerklärlichen Gründen nicht tun. Daher hielt mein Mann es nach einigen fruchtlosen Versuchen für weiser, sich über unsere Fragen nicht zu viele Gedanken zu machen. Wir gingen davon aus, dass „der treue und verständige Sklave“ – zur Erinnerung: das ist die „Leitende Körperschaft“ der Wachtturm-Gesellschaft in Brooklyn, New York – mit der Zeit jede schwierige Passage oder Fragen klären würde. Wir mussten eben nur geduldig sein. Dann, eines Tages Ende 1987, wurden mein Mann und ich zusammen mit anderen, die für Selters ähnliche Arbeit wie wir machten, ins Bethelheim eingeladen. Während einer Pause blieben ein Bruder, eine Schwester, mein Mann und ich alleine in einem der Büros zurück. Der Bruder unterhielt sich mit Markus. Sie sprachen über neue oder interessante Punkte aus den Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft. Plötzlich sagte er zu Markus: „Ist es nicht seltsam, dass der „König des Nordens“ (von dem Jehovas Zeugen damals glaubten, dass er den kommunistischen Block unter der Gesamtkontrolle der UdSSR darstellte) nicht im Bibelbuch der Offenbarung vorzukommen scheint? Gemäß der Prophezeiung Daniels wird er im Höhepunkt der Menschheitsgeschichte eine solch wesentliche Rolle spielen, dass es eigenartig erscheint, dass das Buch der Offenbarung ihn noch nicht einmal erwähnt. Hast Du Dich nie gefragt, warum wir nur so wenige Details über Harmagedon kennen? Die Bibel ist in allem so präzise, aber wir wissen nicht allzu viel über diesen wichtigen Punkt in der Menschheitsgeschichte, findest Du nicht?

„Nun ja,“ antwortete Markus, „Jehova hat durch den „treuen und verständigen Sklaven“ immer fortschreitend Dinge geoffenbart, wenn auf Sein Volk kritische Situationen zukamen. Ich bin sicher, dass Er uns genau zur rechten Zeit wissen lassen wird, was wir wissen müssen, um auf das, was uns bevorsteht, vorbereitet zu sein.“ Dies war eine Antwort, wie sie jeder loyale Zeuge Jehovas hätte gegeben haben können. „Oh, gewiss“, antwortete der Bruder, „daran habe ich keinen Zweifel!“ Und die Schwester, die mit ihm in einer Versammlung war und der Unterhaltung zugehört hatte, fühlte sich gedrängt, eilig hinzuzufügen: „Weißt Du, Bruder … weiß das, wie wir alle. Aber ab und zu theoretisiert er gerne ein bisschen über prophetische Ereignisse, auf die wir noch warten, und worüber wir noch nicht allzu viel wissen. Natürlich kann man das nicht mit jedem Bruder machen!“

Die Wachtturm-Gesellschaft hieß es übrigens offiziell nicht gut, über die Erfüllung von Prophetie zu „spekulieren“. Manchmal fanden geistig gesinnte Brüder und Schwestern jedoch Gefallen daran, wenn sie sich, was den Bruder oder die Schwester betraf, „sicher fühlten“, weil dieses „Spekulieren“ oder solche Gedankengänge anregend waren. Auch wir hatten das schon gemacht.

Was Markus* Reaktion auf die Bemerkung des Bruders angeht, so war sie genau so, wie es von ihm erwartet worden wäre. Sofort hatte er erkannt, dass die Bemerkung des Bruders nicht mit der offiziellen Lehre der Wachtturm-Gesellschaft übereinstimmte. Dann aber fügte Markus, um die Gefühle des Bruders nicht zu verletzen, behutsamer hinzu: „Worauf genau willst Du hinaus?“ Nach einem kurzen Gedankenaustausch ließen sie das Thema fallen. Da mein Mann an Bibelchronologie und Bibelprophetie immer besonderes Interesse gehabt hatte, war es ihm unmöglich, die Angelegenheit nicht weiter zu untersuchen. Obgleich er auf diese spezielle Frage zu der Zeit keine Antwort fand, fand er etwas, wonach er ganz und gar nicht gesucht hatte. Es war der unwiderlegbare Beweis, dass die Zeit des Endes 1914 auf gar keinen Fall begonnen haben konnte, wie dies Jehovas Zeugen fest glaubten. Je mehr er die Schrift studierte und mit der Auslegung der Wachtturm-Gesellschaft verglich, desto größer und überwältigender wurden die Beweise, dass irgend etwas von äußerster Wichtigkeit an dem prophetischen Bild, das die Wachtturm-Gesellschaft präsentierte, falsch war. Zunächst teilte mein Mann mir nichts von diesen Dingen mit. Aber ich kann bezeugen, dass er seine Bibel intensiver studierte als je zuvor.

Noch erstaunlicher war die Tatsache, dass mein Mann so anders zu sein schien. Später fand ich heraus, dass Markus, als er anfing, bestimmte Entdeckungen in der Bibel zu machen, krank wurde. Er bekam Magenschmerzen. Gleichzeitig fing er an zu begreifen, welche Tragweite die Konsequenzen seiner Entdeckungen haben könnte. Dadurch fühlte er sich noch schlechter, vor allem wenn er an die möglichen Folgen dachte, die dies auf unsere Beziehung haben könnte.

So hörte er nicht auf zu Jehova zu beten, dass Er meine Augen und mein Herz öffnen möge, damit ich sehen sollte, was er sah, wenn es wirklich Er war, der ihn diese Dinge verstehen ließ. Markus hatte solche Angst, dass ich es nicht sehen könnte, und dies uns möglicherweise trennen würde. Er wusste, dass auch ich hundertprozentig hinter der Gesellschaft stand und auf die Führung „des treuen und verständigen Sklaven“ bei der Auslegung der Bibel vertraute.

Wenn man seinen Ehepartner liebt und weiß, dass man ihn vermissen wird, weil er z.B. ins Krankenhaus oder auf eine Reise gehen muss, dann verstärken sich oftmals die Gefühle für einander. Markus Gefühle und seine nicht zu verdrängende Furcht, mich zu verlieren, ließen ihn zum rücksichtsvollsten, verständnisvollsten, vergebungsbereitesten, wärmsten und liebevollsten Ehemann werden, den ich je gehabt hatte. Das gefiel mir!

Schließlich, ungefähr vier Wochen nach unserem Besuch im Bethel, stellte mir mein Mann eine Frage, die für mich absolut schockierend war. Er sagte: „Was würdest Du sagen, wenn wir nicht in der „Zeit des Endes“ leben würden, wenn die „letzten Tage“ nicht im Jahre 1914 begonnen hätten? Meine Reaktion zeigt, wie entsetzlich diese Frage für mich wirklich war: „Ich glaube, Du hast den Verstand verloren, Du musst verrückt sein!“ Aber diese Worte spiegeln nicht im Mindesten den Aufruhr und die panische Angst wider, die seine Frage sofort in mir hervorgerufen hatte. Zunächst hatte ich am meisten Angst davor, die Frau eines „Abtrünnigen“ zu werden, und so begann ich, intensiv wegen dieser Sache zu beten. Mein Mann fuhr ebenfalls fort zu beten. Aber seine Gebete hatten natürlich einen vollständig anderen Inhalt. Ich betete darum, dass Markus zur Vernunft kommen möge. Mein Mann erzählte mir später, dass er Jehova nur immer wieder anbettelte, dass Er mir die Augen öffnen möge.

Nach einiger Zeit begannen Markus biblische Beweise für seine neuen Überzeugungen meinen Standpunkt zu schwächen. Da ich aber nicht sicher war, schlug ich Markus vor, in der Angelegenheit an die Gesellschaft heranzutreten. Ich hoffte, dass die Brüder beweisen könnten, dass er Unrecht hatte, oder, wenn er Recht haben sollte, dass sie es zu schätzen wüssten, dass Markus etwas ihnen nicht Aufgefallenes entdeckt hatte, und froh wären, diesbezüglich angesprochen worden zu sein. Was ich wollte, war Gewissheit.

Die Annahme, dass „das gegenwärtige System der Dinge im Jahre 1914 in seine letzten Tage eintrat, und einige Angehörige der Generation, die damals am Leben war, auch Zeuge seines vollständigen Endes in der großen Drangsal“ oder bei Harmagedon werden [Zitat aus „Unterredungen anhand der Schriften“, 1985, Seite 279], war eine zentrale Lehre der Zeugen Jehovas. Ihr Leben war stark von der Überzeugung beeinflußt, dass sich biblische Prophezeiungen im Jahre 1914 und danach erfüllt haben. Beispielsweise waren 1975 viele Zeugen Jehovas davon überzeugt, dass das Ende der „letzten Tage“ gekommen sei. Sie glaubten, in jenem Jahr würde Harmagedon kommen, Gottes Krieg, der alle bösen menschlichen Systeme und Menschen, die nicht an Jehova glaubten, vernichten würde. Sie glaubten, dass sie nun endlich die Segnungen eines vollkommenen irdischen Paradieses und ewiges Leben auf dieser Erde erhalten würden.

Jehovas Zeugen lehrten, dass sich jeder der im ersten Kapitel von 1. Mose 1 erwähnten Schöpfungstage über einen Zeitraum von 7 000 Jahren erstreckt; dass nach 1. Mose 2:2 Gott am siebenten Tag von Seinen Schöpfungswerken ruhte, und zwar nach der Erschaffung der Menschen am Ende des sechsten Schöpfungstages, wobei zwischen Adams und Evas Erschaffung noch eine kurze – biblisch nicht näher definierte – Zeitspanne war (1. Mose 1:26-31), und dass Gott danach am siebten Tag begann, 7 000 Jahre zu ruhen, da jeder Tag logischerweise dieselbe Länge haben müsste.

Die biblische Chronologie der Zeugen Jehovas wies auf 1975 als auf das Jahr hin, in dem 6 000 Jahre seit der Erschaffung Adams enden würden. Das Bibelbuch der Offenbarung spricht von der Tausendjahrherrschaft Christi, von der Jehovas Zeugen glaubten, dass sie direkt auf Harmagedon folgt und den siebten Tag vervollständigt. Folglich, da 1000 Jahre für die Herrschaft Jesu übrig bleiben müssten, und 1975 seit der Erschaffung Adams 6000 Jahre vergangen waren, müsste Harmagedon 1975 kommen. Das ist es, was viele Brüder und Schwestern glaubten. Von diesen 6000 plus 1000 Jahren leiten Zeugen Jehovas übrigens auch die Länge des siebenten Tages und damit jedes Schöpfungstages her.

In den Jahren nach 1975 wurde die zeitliche Lücke zwischen der Erschaffung Adams und der Evas, die nach Adam erschaffen wurde, als Grund für die Verzögerung des Beginns von Harmagedon erklärt. Demgemäß seien zwar 6000 Jahre seit der Erschaffung Adams, aber nicht der Evas, vergangen. Der siebente Tag begann erst nach der Erschaffung Evas. Folglich bestand ein Zeitabstand Monaten oder – wie es später erklärt wurde – von einigen Jahren zwischen Adams Erschaffung und der Evas, womit sich der Beginn des siebenten Schöpfungstages und daher natürlich auch Harmagedon um diese Zeitspanne verschob. U.a. im Wachtturm vom 15. November 1968, S. 691, 30, hieß es noch, dass es „höchstens einige Wochen oder Monate, keinesfalls aber Jahre ausmachen“ würde; in der „Erwachet!“ Sonderausgabe vom 8. April 1969, S. 13, hieß es, „im Höchstfall dauert es noch wenige Jahre, bis Gott das verderbte System der Dinge, das jetzt die Erde beherrscht, vernichten wird.“ Und dann wurden in dem Artikel Gründe angeführt, warum „wir so sicher sein können“. Es ist bemerkenswert, dass aus diesen „höchstens einige Monate, keinesfalls Jahre,“ 2008 bereits 33 Jahre geworden sind.

Nach 1975 war die offizielle Version allerdings, dass nur einige Brüder aus eigenem Wunschdenken heraus an 1975 geglaubt hätten. Aber diesem „Wunschdenken“ lagen verschiedene Artikel im „Wachtturm“ und „Erwachet!“, im „Königreichsdienst“ – grob gesagt, einem internen Mitteilungsblatt der Gesellschaft für die Versammlungen – und Vorträge von Repräsentanten der Gesellschaft zugrunde. Diese nachprüfbaren Zitate zeigten, dass nicht „einige Brüder“, sondern die Gesellschaft selbst Erwartungen für das Jahr 1975 geweckt hatte. Uns als „Neuen“ war das aber damals nicht bewusst.

Die Erklärung für den Verzug wurde logisch damit begründet, dass Adam als das Haupt seiner Frau schon einige Erfahrungen gesammelt haben sollte, bevor sie mit ihm nach ihrer Erschaffung zusammen wäre. Auch hatte er den Tieren Namen zu geben, was Zeit erforderte (1. Mose 2:19). Da Gott dem Adam die Eva nicht aufzwang, wurde ihm Zeit gegeben zu erkennen, dass er ein weibliches Gegenstück zu sich haben wollte, wie dies bei allen Tieren der Fall war. Solche oder ähnliche Antworten gaben Zeugen Jehovas, wenn sie nach 1975 angesprochen wurden, warum ihre Erwartungen bezüglich 1975 sich nicht erfüllt hatten.

Da Markus und ich erst 1972 Zeugen Jehovas geworden waren, hatte dieses Datum 1975 keine große Wirkung auf uns, denn wir wollten unserem Schöpfer ewig dienen. Auch war das Ende des Systems so nahe, und wir wollten vorher noch so viel tun. Aber die „alte Garde“ sah mit Erwartung großen Ereignissen entgegen, die 1975 zu geschehen anfangen würden. Die Bibel sagt „hingezogene Hoffnung macht das Herz krank“ (Sprüche 13:12). Verständlicherweise war die Enttäuschung groß.

Die Wachtturm-Gesellschaft hatte mehr als einmal „das Ende dieses Systems der Dinge“ durch Gottes Eingreifen an Harmagedon vorhergesagt, extensiv veröffentlicht und gepredigt. Als die für die verschiedenen Jahre gemachten Vorhersagen nicht eintrafen, wurden, nachdem einige Zeit verstrichen war, neue Erwartungen geweckt und ein neuer Zeitpunkt  für Gottes Eingreifen genannt. Das ist etwas, was späteren Generationen von Zeugen Jehovas im Allgemeinen unbekannt war. Die neueste und damit aktuellste Information, die ihnen gegeben wurde, war DIE WAHRHEIT. Die zuvor gelernten Dinge waren Schritte zu dieser Wahrheit. Irrtümer auf dem Wege wurden mit dem Zickzackkurs eines Segelschiffes verglichen, dass dennoch seine allgemeine Richtung beibehält und schließlich am Bestimmungsort ankommt.(Siehe Wachtturm 1. 12. 1981, S. 27, 2 engl. Ausgabe)

Folglich kümmerten sich die Neuen unter den Zeugen Jehovas gewöhnlich nie um alte Voraussagen der Wachtturm Gesellschaft, da „das Licht immer heller und heller“ werden würde. Darüber hinaus konnte man im Allgemeinen die älteren Publikationen nicht mehr bekommen, mit Ausnahme einiger Einzelstücke, z.B. wenn ein Bruder oder eine Schwester starb und die Literatur zurück ließ. Die meisten Brüder und Schwestern wollten diese Literatur eigentlich mehr für ihre Bibliothek als „wertvolle“ Erinnerung an „kleine Anfänge“ (der Zeugen Jehovas). Gewöhnlich hatten sie nicht die Absicht zu studieren, was Jehovas Zeugen zu einem früheren Zeitpunkt  in ihrer Geschichte geglaubt haben. (Die Organisation der Zeugen Jehovas bezeichnet sich als eine „vorwärts gehende“ oder „voranschreitende Organisation“.) Zeit dazu war sowieso keine, denn das Studium der neuen Literatur bedeutete bereits reichlich Arbeit.

Als wir Jehovas Zeugen wurden, lernten wir, dass das Wort „Generation“ in Matthäus 24:34 und Lukas 21:32 sich auf diejenigen Menschen insgesamt bezieht, die 1914 alt genug waren, die Ereignisse zu der Zeit zu verstehen und in ihnen die Erfüllung biblischer Prophezeiungen zu sehen. Später wurden einige andere Interpretationen darüber gegeben, wen genau diese „Generation“ von 1914 einbezieht, die nicht vergehen sollte, bevor Gott eingreift und alles Böse beseitigt. In jedem Fall fanden Jehovas Zeugen 1988, dass diese Generation wirklich alt geworden war, selbst wenn sich das Wort auf diejenigen beziehen sollte, die erst von 1914 an geboren worden waren. So dachten auch wir, dass „das Ende“ gleich „um die Ecke“ sei.

Obwohl diese Erwartung nichts mit unserem Dienst für Jehova zu tun hatte, – etwas, das wir für immer tun wollten, – half sie uns in der Situation, in der wir waren, auszuharren. Vom Beginn unserer Vollzeitpredigttätigkeit als Zeugen Jehovas an hatte ich nämlich Gesundheitsprobleme gehabt. Je länger wir im Vollzeitdienst waren, und je älter ich wurde, desto mehr nahmen meine Probleme zu. Darüber hinaus hatten wir jetzt zusätzliche Verpflichtungen. Wir wohnten in der Nähe unserer Verwandten, die wir in den vergangenen 15 Jahren mehr oder weniger vernachlässigen mussten wegen unseres äußerst vollen Zeitplans und unserer knapp bemessenen Urlaubszeit. Aber wir dachten, dass wir mit Jehovas Hilfe ausreichend Kraft hätten, die wenigen Jahre, die bis Harmagedon noch blieben, durchzuhalten.

Unter Berücksichtigung dieser Erwartungshaltung kann man sich sicher leicht die Wirkung vorstellen, die meines Mannes Frage, „Was würdest Du sagen, wenn 1914 nicht der Beginn der letzten Tage“ wäre, auf mich hatte! Als er mir später sogar bewies, das es unmöglich wahr sein konnte, dass im Jahre 1914 die Endzeit begonnen hatte, stand mir ein Schock bevor: Harmagedon war nicht nur nicht „gleich um die Ecke“, sondern es sollte erst in ungewisser Zukunft sein. Das war schwer zu verdauen.

Wenn wir auch heute wissen, dass unser gewonnenes Verständnis bezüglich der Zeit des Endes noch von der Lehre der WachtturmGesellschaft gefärbt war, so wissen wir aber auch, dass es Jehova war, der unsere Augen öffnete. Er ermöglichte es uns durch gründliches Lesen und Studieren der Bibel direkt – man stelle sich vor, ohne die Wachtturm-Gesellschaft! -, all diese Dinge zu erkennen. Er gab uns alles, was wir zu der Zeit wissen mussten. Ihm gebührt alles Lob!

Unseren nächsten Sommerurlaub 1988 werde ich nie vergessen. Wenn wir nicht zum Schwimmen gingen oder ein Sonnenbad nahmen, lasen wir in der Bibel. Das waren viele überwältigende und begeisternde Stunden. Mein Mann und ich hatten einen solch wunderbaren Austausch über Gedanken, die wir in der Bibel fanden. Diese Erfahrung setzte sich auch nach unserem Urlaub fort. Jedes Mal wenn wir die Bibel aufschlugen, spürten wir, dass unser „Durst“ gelöscht wurde. Eine der herausragendsten Entdeckungen, die wir zu der Zeit machten, war die Tatsache, dass Bibelprophetie viel detaillierter und umfangreicher ist, als wir je gewusst hatten oder uns gar hätten vorstellen können. Allmählich wurde auch unser Wunsch immer größer herauszufinden, ob es anderen Zeugen Jehovas ähnlich erging wie uns.

Niemand, außer denjenigen Brüdern oder Schwestern, die jemals ernsthafte Zweifel an den Lehren der Gesellschaft hatten und aufrichtig die WAHRHEIT herausfinden wollten, kennt den Aufruhr und die Unsicherheit, verbunden mit Angst und quälenden Selbstzweifeln, die unausweichlich folgen, wenn man anfängt, alles, was man gelehrt worden ist, genau zu prüfen. Unter Berücksichtigung des Trainings, das Jehovas Zeugen erhalten, nehme ich aber an, dass die Mehrzahl der Brüder und Schwestern, die die Lehren der Gesellschaft zu hinterfragen beginnen, zunächst den Fehler bei sich suchen werden, wie ich es auch tat. Ich fragte mich andauernd, warum ich diese Zweifel hatte. Was war mit mir los? Warum war ich unzufrieden? Hatte ich nicht mehr Jehovas Segen? Warum war ich nur so kritisch? Warum schienen sich all die anderen Brüder und Schwestern wohl zu fühlen? Warum schienen sie zufrieden mit, ja teilweise sogar begeistert von der geistigen Speise, den Zusammenkünften und den Kongressprogrammen? Eine positive Reaktion und völliges Akzeptieren der dargebotenen „geistigen Speise“ wurden ganz einfach erwartet. Schließlich erhielten wir diese „Speise“ ja vom „Kanal“ Jehovas. Wer hatte uns die Wahrheit zu Anfang gelehrt? Daran wurden wir oft erinnert. Wer könnte also so undankbar sein, die „Speise“ zu kritisieren, ihren Wert in Frage zu stellen, etwas an ihr aussetzen oder es sogar wagen, sie abzulehnen? Und wenn es doch jemand wagen würde, hätte er auch den Mut, dies in aller Offenheit zu tun?

Nachdem einmal der erste ernsthafte Zweifel an der „Speise“ da war, schien es, dass all die Fragen, die wir so lange „in die Schublade gelegt“ hatten, wieder hervorkamen. Und dann gab es auch noch neue, und zwar jede Menge davon. Allmählich begannen wir, die Bibel anders zu lesen. Wir fingen an, neue Dinge zu entdecken, Dinge, die Sinn machten, und einige dieser unbeantworteten Fragen, die wir hatten, klärten. Und wieder – kaum vorzustellen! – erkannten wir diese Dinge ohne den „treuen und verständigen Sklaven“! War das eine Sünde? Einige Male kam uns ein noch verwegenerer Gedanke: Wollte Jehova etwa uns dazu benutzen, Gottes Volk über gewisse Dinge aufzuklären, die falsch waren? (Damals dachten wir noch, dass Gottes Organisation das „geistige Israel“ sei, sich also die Prophezeiungen über Israel oder die Juden an diesem „geistigen Israel“ erfüllen würden.) Oder war das ein Trick Satans, der versuchte, uns zu täuschen und uns von Jehovas Organisation wegzubringen? Die Ungewissheit war riesengroß. Gleichzeitig konnten wir nicht umhin, uns einzugestehen, dass Jehovas Volk nicht so war, wie wir dies gelehrt worden waren. Es war auch nicht das, für was wir es gehalten hatten. Auch entsprach es nicht den Ansprüchen, die andere von Gottes Volk erwarteten aufgrund dessen, wie wir es immer dargestellt hatten. Dies hatte für uns jedoch niemals bedeutet, dass dies nicht Gottes Organisation war, denn wir sind alle unvollkommen. Auch kannten wir keine religiöse Gruppe, die etwas Besseres, oder auch nur annähernd das zu bieten hatte, was wir hatten oder waren.

Die Wachtturm-Gesellschaft unterstrich diesen Punkt häufig in ihrer Literatur, wenn es um diejenigen ging, die die Organisation verlassen hatten. Wohin sollten solche denn gehen? Nirgendwo sonst würden sie solch eine wunderbare Organisation finden. Gott benutzte sowieso nur diese eine! Und woher würden sie die geistige Speise für ihre geistige Ernährung bekommen? Nirgendwo gab es solche Speise wie die unsere. Wer würde zur Speise der „BabyIon der Großen“, dem „Weltreich der falschen Religion“, gehen wollen, zu falschen religiösen Lehren?! Gewiss nicht diejenigen, die irgendwann einmal so genannte christliche Religionen verlassen hatten. Diese hatten ihnen keine geistige Speise geboten, höchstens vielleicht geistige Krümel, aber oft nicht einmal das. Solche und ähnliche Aussagen waren keinem Zeugen fremd.

Wie ich bereits sagte, waren unsere Sinne geschärft, was den Anspruch der Zeugen Jehovas, Jehovas liebendes und treues Volk zu sein, anging. Im Laufe der Jahre hatten wir viele Dinge gesehen und erlebt, die uns nicht gefielen. Wir wünschten uns, dass Jehovas Volk das wäre was wir, als Organisation, behaupteten: ein Vorbild für Außenstehende, mit den höchsten moralischen Grundsätzen, unterschieden von allen anderen, die einzigen, die Jehova möglicherweise akzeptieren könnte. Obwohl wir unsere – und sicherlich auch andere Zeugen Jehovas ihre persönlichen, individuellen Versäumnisse in dieser Hinsicht erkannten, war es uns niemals auch nur ansatzweise aufgegangen, dass wir eigentlich von Jehovas Volk als Organisation zumindest annähernd Vollkommenheit erwarteten. Waren wir nicht gelehrt worden, dass wir für Jehova ein „ganz besonderes“ Volk waren?

Wie dem auch sei, wir waren die Jahre hindurch zu beschäftigt, um unseren Beobachtungen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Auch waren wir überzeugt, dass andere religiöse Organisationen nicht einmal an solch hohe Maßstäbe heranreichen könnten. War es nicht Jehovas Organisation, die Seinen Segen hatt

von |Januar 3rd, 2017|Kommentare deaktiviert für Lebensbericht – Jehovas Zeugen

Interview und Lebensbericht eines Gesalbten

Interview und Lebensbericht eines Gesalbten

Lebensbericht von Wolfgang Kühne: „Warum ich die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas verließ.“

Wolf­gang Kühne wurde 1948 in Marl, West­fa­len, gebo­ren. Im Alter von 17 Jah­ren kam er in Kon­takt mit den Zeugen Jeho­vas und wurde von deren Lehre und Ziel­stre­big­keit beein­druckt und angezogen.

Nach 38 Jah­ren als Zeuge Jeho­vas (1967−2004), davon diente er sogar 32 Jahre lang als Ältes­ter in der Gemeinde in Düren, brachte ihn das Lesen (ver­bo­te­ner) christ­li­cher Schrif­ten zum Nach­den­ken über die Rich­tig­keit des gewähl­ten Weges, was letzt­lich zu der Bekeh­rung zum Herrn Jesus Chris­tus führte. Wolfgang Kühne ist verheiratet, das Ehepaar hat zwei Kinder. Seit 2004 sind er und seine Frau Mitglieder einer freien christlichen Gemeinde. Es folgt ein Inter­view mit Wolf­gang Kühne.

Herr Kühne, wie wur­den Sie ein „Zeuge Jehovas“?

Wolf­gang Kühne: Ich war 17 Jahre alt und gehörte der evan­ge­li­schen Kir­che an. Eines Tages sah ich, dass sich im Gar­ten unse­rer Nach­barn im Som­mer eine Menge jun­ger Leute ver­sam­melte. Auf ein­mal sah ich unter ihnen einen ehe­ma­li­gen Schul­ka­me­ra­den. Da hab ich zu ihm geru­fen: „Mensch Gerd, was machst du denn hier?“ So erzählte er mir begeis­tert, dass er zwi­schen­zeit­lich bei den Zeu­gen Jeho­vas die abso­lute Wahr­heit gefun­den habe.

Aber ich hielt ihm ent­ge­gen, die evan­ge­li­sche Kir­che sei das Rich­tige. (Obwohl meine Eltern athe­is­tisch geprägt waren, bin ich den­noch mit 8 Jah­ren alleine in die Kir­che gegan­gen, weil ich damals schon an Jesus Chris­tus geglaubt habe.) So bot Gerd mir an, mich zu besu­chen, um mit mir über die­ses Thema zu spre­chen. Zur ver­ei­b­ten Zeit ver­tief­ten wir uns in eine, so wie ich damals glaubte, bib­li­sche Diskussion.

Die Ziel­stre­big­keit, mit der er immer wie­der sowohl bei Schnee als auch bei Regen gekom­men ist, um etwas bei mir zu errei­chen und seine Hart­nä­ckig­keit bewun­derte ich sehr. Wenn die Zeu­gen Jeho­vas aber zu einem kom­men, so ist es heute genauso wie damals – vor über 60 Jah­ren – dass sie min­des­tens nach dem zwei­ten Tref­fen vorschlagen, mit ihnen zusam­men ein Buch zu stu­die­ren. Das Buch heißt „Was wirk­lich in der Bibel steht“, aber in Wirk­lich­keit steht das über­haupt nicht in der Bibel. Die­ses Buch haben ihre Leute (Lei­tende Kör­per­schaft) in Brooklyn/N.Y. aufgesetzt.

Am Anfang steigt man mit ein­fa­chen Fra­gen in ihre Lehre ein und wird im Laufe die­ses „Stu­di­ums“ immer mehr zur Bewusst­seins­ver­än­de­rung hin­ge­steu­ert, so dass man zum Schluss des Buches vor die Frage gestellt wird, ob man sich tau­fen las­sen möchte – als Zei­chen der Hin­gabe. Dann erst wird man ein Zeuge Jeho­vas. Das habe ich damals auch getan mit einem ande­ren Buch, das heißt „Dinge, in denen es unmög­lich ist, dass Gott lügt“.

Die­ses Buch habe ich regel­recht ver­schlun­gen. Gerd hat zu den Tex­ten Fra­gen gestellt und ich habe ihm dar­aus geant­wor­tet und merkte, wie ich immer mehr das Gedan­ken­gut der Zeu­gen Jeho­vas in mir auf­ge­nom­men habe und es auch immer bes­ser fand. Das ist einer der psy­cho­lo­gi­schen Tricks, die die Zeu­gen Jeho­vas anwen­den. Meine Eltern haben sich „mit Hän­den und Füßen“ gewehrt, dass ich mich mit den Jeho­vas Zeu­gen beschäf­tige und haben mich für eine län­gere Zeit nach Ita­lien geschickt.

Aber Gerd hat mir ein­mal in der Woche einen Brief mit den Abschnit­ten aus dem Buch abge­schrie­ben, und ich musste ihm die Ant­wor­ten zurück schrei­ben. Er nutzte alle Mit­tel, damit ich wei­ter machte. Der Wider­stand mei­ner Eltern wurde immer rabia­ter, was bei mir zu einer Trotz­re­ak­tion führte – nach dem Motto: Jetzt erst recht!

Nach dem Stu­dium des Buches ließ ich mich im Alter von 19 Jah­ren tau­fen. In der Tauf­an­spra­che geht es nicht etwa um die Wie­der­ge­burt als Bedin­gung für die Taufe, son­dern ledig­lich darum, die Son­der­leh­ren der Zeu­gen Jeho­vas zu akzep­tie­ren und um die Aner­ken­nung der lei­ten­den Kör­per­schaft, der man gehor­sam sein muss.

Von nun an wurde ich sys­te­ma­tisch in die Ver­samm­lun­gen der Sekte ein­ge­bun­den und in die Gemein­schaft integriert. Ich wurde wie in einer Fami­lie aufgenommen.

Woher stammt die Selbst­be­zeich­nung „Zeu­gen Jehovas“?

Wolf­gang Kühne: Der Text, der als Begrün­dung für den Namen „Zeu­gen Jeho­vas“ seit 1933 genannt wird, steht in Jesaja 43,10: „Ihr seid meine Zeu­gen, spricht der HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich’s bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir kei­ner sein.“

Aber, wenn wir Jesaja 43,1 lesen, stel­len wir fest, wer der eigent­li­che Adres­sat ist: „Und nun spricht der HERR, der dich geschaf­fen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei dei­nem Namen geru­fen; du bist mein!“ Gott sagt selbst: „Israel, ihr seid meine ‚Zeu­gen’ der alten Zeit!“ Aber wir dür­fen auch Zeu­gen sein! Das lesen wir in Apos­tel­ge­schichte 1,8: „Aber ihr wer­det die Kraft des Hei­li­gen Geis­tes emp­fan­gen, der auf euch kom­men wird, und wer­det meine Zeu­gen sein, zu Jeru­sa­lem und in ganz Judäa und Sama­rien und bis an das Ende der Erde.“ Jesus selbst sagt: „Ihr sollt meine Zeu­gen sein!“ Also Jesu Christi Zeu­gen! Das ist der Auf­trag von uns Christen!

Der Name Got­tes ist in 2. Mose 3,15 über­lie­fert. Aber die Aus­spra­che «Jehova» ist eine künst­li­che Kon­struk­tion. Wir wis­sen heute nicht, wie der Name des Ewi­gen aus­ge­spro­chen wurde.

Stimmt es, dass Zeu­gen Jeho­vas das Opfer Jesu am Kreuz zwar aner­ken­nen, jedoch durch den Ver­dienst eige­ner Werke auf Ret­tung hoffen?

Wolf­gang Kühne: Die Zeu­gen Jeho­vas haben eine Lehre, nach der sie glau­ben, auf der Erde in einem Para­dies zu leben. Dann wird ihnen ganz deut­lich gesagt: „Ihr müsst euren Pflich­ten nach­kom­men; von Haus zu Haus gehen und dar­über regel­mä­ßig Berichte ablie­fern, damit ihr ins Para­dies kommt.“ Sie wer­den dar­auf stän­dig geschult, jede Woche. Es gibt keine Lob­preis– und Gebets­ver­samm­lun­gen bei den Zeu­gen Jehovas.

Alles ist auf Schu­lung aus­ge­rich­tet. Des­halb haben sie auch diese Ziel­stre­big­keit und natür­lich das Den­ken: „Ich will geret­tet wer­den.“ Das ist nur durch diese Werk­ge­rech­tig­keit mög­lich, wie sie auch die katho­li­sche Kir­che ver­tritt. Trotz­dem müs­sen die Zeu­gen Jeho­vas aber auch an das Opfer Jesu Christi glau­ben, damit sie ewi­ges Leben auf der Erde haben kön­nen. Das ewige Leben im Him­mel sei jedoch nur für die 144.000 Aus­er­wähl­ten vorgesehen.

Wer sind die 144.000 der Zeu­gen Jehovas?

Wolf­gang Kühne: Die­ses Wort der 144.000 stammt aus Offen­ba­rung 7,4. „Und ich hörte die Zahl derer, die versiegelt wur­den: hun­dert­vier­und­vier­zig­tau­send, die ver­sie­gelt waren aus allen Stäm­men Israels.“

Die 144.000 sind nicht Men­schen aus allen Natio­nen – Ame­ri­ka­ner, Rus­sen, Fran­zo­sen, wie es die Lehre der Zeu­gen Jeho­vas sagt. Sie beja­hen zwar die 144.000, aber die Aus­sage über Israel ver­nei­nen sie. So machen sie einen Teil des Tex­tes ungül­tig und den ande­ren gültig.

Wei­ter­hin sagen sie, dass zu die­sen 144.000 alle Urchris­ten und alle Chris­ten aus dem Mit­tel­al­ter gehö­ren, die auch in den Him­mel kom­men. In der heu­ti­gen Zeit gäbe es nur einen Über­rest, also nur ganz wenige, die dazu zäh­len. Das wären auf der gan­zen Erde 9000, die auch gleich­zei­tig das Abend­mahl neh­men dürften.

Aber die Bibel sagt: „Trinkt dar­aus, ihr alle!“ (Mt. 26,27) Hier wird nir­gendwo davon gespro­chen, dass dies nur die 144.000 betrifft. Eine Frage, die man Zeu­gen Jeho­vas stel­len kann, wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, könnte so lau­ten: „Eine eurer Grund­leh­ren ist doch, dass nur ein Über­rest von 9000 vom Abend­mahl neh­men darf bzw. die 144.000. Wo steht das? Solch eine wich­tige Lehre, dass die ande­ren davon nicht neh­men dürf­ten, muss doch in der Bibel ste­hen!“ Diese Frage kön­nen sie meist nicht beantworten.

Wer bestimmt, wer zu die­sen 144.000 gehört?

Wolf­gang Kühne: Die Zeu­gen Jeho­vas sagen, der Geist würde es die­sen offen­bar machen oder der­je­nige selbst würde das Gefühl haben, er gehört in den Him­mel und damit zu Jesus Chris­tus und dürfe ein­mal im Jahr vom Abend­mahl nehmen.

Was bewegte Sie dazu, den Glau­ben an die Leh­ren der Wachturm-Gesellschaft zu hinterfragen?

Wolf­gang Kühne: Beson­ders durch die Zeit­schrift „Mit­ter­nachts­ruf“ wurde mir mehr und mehr klar, dass Gott am Ende der Tage wie­der mit sei­nem Volk Israel han­deln wird. Dies wird von den Zeu­gen abge­lehnt. Nach ihren Aussagen sind sie selbst das neue Israel Got­tes. Aber wieso schreibt dann Apos­tel Pau­lus in Römer 11,1: „Hat denn Gott sein Volk ver­sto­ßen? Das sei ferne!“?

Hier wird ganz deut­lich: Israel ist nicht ver­wor­fen! Ich merkte, dass das Thema der Gunst Got­tes gegen­über seinem Volk sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel zieht.

Dann kam die Frage auf, ob alle am Abend­mahl teil­neh­men dür­fen, oder ob nur die soge­nann­ten Gesalb­ten ein­mal im Jahr vom Brot und Wein neh­men dür­fen, wie es bei den Zeu­gen Jeho­vas üblich ist. Ich erkannte aus der Heiligen Schrift, dass die Teil­nahme am Abend­mahl für einen Chris­ten eine Not­wen­dig­keit ist.

Denn Jesus Chris­tus selbst sagt in Mat­thäus 26,26 – 29, dass alle aus dem Kelch trin­ken soll­ten: „…Trinkt dar­aus ihr alle!…“ Wenn wir das nicht tun wür­den, dann wür­den wir nicht zei­gen, dass wir zu Ihm gehör­ten. So wurde mit der Zeit auch in mir der Wunsch immer stär­ker, zu Jesus Chris­tus zu kom­men und bei Ihm zu sein.

Des­halb nahm ich eines Tages trotz all­ge­mei­ner Ver­wun­de­rung auch vom Abend­mahl. Dann wird man auto­ma­tisch zu den 144.000 gezählt. Die­ses Neh­men vom Brot und vom Wein war sozu­sa­gen meine Wie­der­ge­burt, weil von da an der Herr Jesus Chris­tus meine geist­li­chen Augen noch mehr geöff­net hat. So als hätte er mir per­sön­lich gesagt: „Du willst zu mir gehö­ren. Jetzt will ich dir auch zei­gen, was wirk­lich in der Bibel steht.“ Und dann habe ich Stück für Stück immer mehr verstanden.

Ich lernte, dass Chris­tus der Mit­tel­punkt mei­nes Lebens sein muss und rückte Ihn in mei­nen Auf­ga­ben und Ansprachen in den Vor­der­grund. Dar­auf sagte eine Schwes­ter ein­mal: „Jesus ist nur Jesus, mehr nicht.“

Das bringt die Ein­stel­lung vie­ler Zeu­gen Jeho­vas auf den Punkt. Ich erwi­derte, dass Jesus schon der Mit­tel­punkt sein müsse, denn von Ihm würde ja in der Schrift gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahr­heit und das Leben!“

Zeu­gen Jeho­vas sagen, dass man Jesus Chris­tus nicht anspre­chen dürfe. Aber da frage ich mich, wieso Jesus sagt: „Kommt her zu mir, alle, die ihr müh­se­lig und bela­den seid: ich will euch erqui­cken.“ (Mt. 11,28)

Sie ver­eh­ren Jesus nicht so wie wir Ihn ver­eh­ren. Sie ver­eh­ren nur Gott. Der Schlüs­sel­text die­ser The­ma­tik ist Johan­nes 5,23: „…damit sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.“ Das bedeu­tet im Umkehr­schluss: so wie der Vater geehrt wird, muss auch der Sohn geehrt werden.

Wel­che Hin­weise und Argu­men­ta­ti­ons­hil­fen kön­nen Sie uns für ein Gespräch mit Jeho­vas Zeu­gen geben?

Wolf­gang Kühne: Die Bibel nennt keine Daten für das Ende. Zeu­gen Jeho­vas haben das aber schon oft getan. 1874, 1914, 1915, 1918, 1925 und auch 1975 ist nichts pas­siert, so wie sie es gesagt haben. Dann folgte eine neue Fest­le­gung, dass im 20. Jahr­hun­dert alles vor­bei sei. Aber das 20. Jahr­hun­dert ist vorbei!

Die Bibel sagt in 5. Mose 18,22: „Wenn der Pro­phet redet in dem Namen des HERRN und tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der HERR nicht gere­det hat. Der Pro­phet hat’s aus Ver­mes­sen­heit gere­det…“

Zeu­gen Jeho­vas haben auch eine andere Auf­er­ste­hungs­lehre. 1. Thes­sa­lo­ni­cher 4,14 – 16 sehen sie nicht so wie wir Chris­ten. Die Ent­rü­ckung ken­nen sie nicht. Sie sagen, das gilt für die 144.000. Die­je­ni­gen von ihnen, die bis zum Jahre 1914 gestor­ben sind, sei­nen bereits auf­er­stan­den. Dabei steht in dem zuvor genann­ten Text, dass die Toten den Leben­den nicht zuvor kom­men. „…wir, die wir leben und übrig blei­ben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvor­kom­men wer­den, die ent­schla­fen sind.“

Ein wei­te­rer Text, der völ­lig falsch aus­ge­legt wird steht in Mat­thäus 24,45 – 47. Das ist der Text, auf den sich Zeugen Jeho­vas bezie­hen, wenn sie von den 10 Per­so­nen der lei­ten­den Kör­per­schaft bzw. von dem treuen Skla­ven sprechen.

„Wer ist nun der treue und kluge Knecht, den der Herr über seine Leute gesetzt hat, damit er ihnen zur rech­ten Zeit zu essen gebe? Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht. Wahr­lich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen.“

Die Bibel spricht hier nicht von einer Klasse von Men­schen, son­dern von Ein­zel­per­so­nen. Des­halb kann jeder ein treuer Sklave Christi sein und dem Auf­trag fol­gen, „Men­schen aus allen Natio­nen zu Jün­gern zu machen“ (nach Mt 28,19). Der Text erwähnt nicht eine lei­tende Kör­per­schaft. Die­sen Begriff kennt die Bibel gar nicht.

Ein Text, den die Zeu­gen Jeho­vas andau­ernd gebrau­chen, um ihre Ver­än­de­run­gen in der Lehre zu recht­fer­ti­gen, fin­den wir in Sprü­che 4,18. „Der Gerech­ten Pfad glänzt wie das Licht am Mor­gen, das immer hel­ler leuch­tet bis zum vol­len Tag.“ Das Licht wird nicht erst hel­ler, dann dunk­ler und wie­der hel­ler, wie es laut der Zeu­gen Jeho­vas passiert. Damit begrün­den sie, dass auch ihre Erkennt­nis erhellt und des­halb immer wie­der kor­ri­giert wer­den muss. Das ist das große Pro­blem der Zeu­gen Jeho­vas, dass sie stän­dig ihre Leh­ren ändern, so dass es beson­ders für junge Zeu­gen Jeho­vas schwie­rig ist, zu wis­sen, was man vor 20 oder 25 Jah­ren gelehrt hat.

Aber Gott ver­än­dert seine Leh­ren niemals!

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Lebens­ge­schichte von Wolf­gang Kühne ist auf CD im Ver­lag Mit­ter­nachts­ruf erschie­nen.

von |Januar 3rd, 2017|Kommentare deaktiviert für Interview und Lebensbericht eines Gesalbten

An die leitende Körperschaft

Wahrheiten jetzt! ist dankbar dafür, dass die Wachtturm-Gesellschaft der Website so viel Aufmerksamkeit gibt. Die Themen auf dieser Website müssen die Wachtturm-Gesellschaft so sehr stören, dass sie alles daran setzen den Betreiber in Gerichtsprozesse zu ziehen um ihm hohe Geldstrafen (bis zu 250.000€) oder ersatzweise 6 Monate Haft anzudrohen. Liebe leitende Körperschaft, D. H. Splane, A. Morris III., D. M. Sanderson, G. W. Jackson, M. S. Lett. S. F. Herd, G. Lösch und G. H. Pierce:

Die Wahrheit steht von alleine aufrecht, nur die Lüge braucht Gesetzesschutz!

Erwartet Gott und Jesus das von euch? Hätte Jesus so gehandelt? Ihr sagt von euch selbst das ihr vom "Geist geleitet" seid. Ihr sagt selbst das ihr geistgesalbte Christen seid. Ihr sagt selbst das die Bibel über allem steht. Warum macht ihr euch dann selbst, durch Gerichtsprozesse lächerlich? Warum versucht ihr erneut zu richten? Warum wollt ihr nicht in die Fußstapfen Jesu treten, der so mild gesinnt war?

"Nun hatte Simon Petrus ein Schwert und zog es und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Und der Knecht hieß Malchus. Da sprach Jesus zu Petrus: Steck das Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?" (Johannes 18:10, 11)

Da ihr euch offensichtlich auf dem Weg der Finsternis befindet, wünscht euch Wahrheiten jetzt! sehr baldig, Jesus anzuerkennen und ihm nachzufolgen, um dem Willen des Vaters zu tun!